EDV-Programm hat der Stadt Geld erspart - es hätte aber viel mehr sein können, meint die ÖVP.
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Wien. Ein neues EDV-Programm hat der Stadt bei der bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) im Jahr 2013 Einsparungen von 24,4 Millionen Euro gebracht. Die Wiener ÖVP ortet dennoch eine Lücke im Kontrollsystem - schließlich hätte ein früherer Einsatz dieses Tools der Stadt 50 Millionen bringen können, meint Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Und sie kritisiert, dass die aktuell eingesparten 24,4 Millionen nun in den Bau des Krankenhauses Nord (KH Nord) fließen sollen, anstatt das Geld für andere soziale Zwecke zu verwenden.
Um das genauer zu erklären, spannt die Gesundheitssprecherin einen großen, mit mehreren "Kritikstationen" bespickten Argumentationsbogen. Und der beginnt bei den laufenden Kosten für das gerade in Bau befindliche KH Nord: Für 2014 sind demnach 65,174 Millionen Euro dafür vorgesehen. Diese würden zum größten Teil durch nicht verbrauchte Mittel aus dem Globalbudget des Gesundheits- und Sozialressorts bedeckt. Und diese nicht verbrauchten Mittel würden sich wiederum aus Minderausgaben und Mehreinnahmen der BMS zusammensetzen.
Die Gründe für die Minderausgaben sind für Korosec durchaus nachvollziehbar, gab es doch 2013 mehr arbeitslose Personen in Wien mit höherer Qualifikation als in den Jahren davor. Das heißt, dass die Stadt in diesen Fällen weniger Mittel aus der Mindestsicherung zuschießen musste, weil die betroffenen Personen eine höhere Leistung aus der Arbeitslosenversicherung bekamen.
Immer mehr BMS-Bezieher
Allerdings habe die Stadt ihr Ziel nicht erreicht, die Zahl der BMS-Bezieher zu senken, indem sie versucht, die Bezieher fit für den Arbeitsmarkt zu machen, sodass sie keine Mindestsicherung mehr benötigen. Im Gegenteil: Wie die zuständige Stadträtin Sonja Wehsely in einer Pressekonferenz zur Wiener Energieunterstützung am Donnerstag erklärte, habe es im Vorjahr rund 150.000 BMS-Bezieher gegeben. "Im Jahr davor waren es noch 144.000 und bei der Einführung der BMS überhaupt nur 100.000. Offensichtlich sind die Maßnahmen nicht wirksam", lautet hier die Kritik.
Die Mehreinnahmen in der Höhe von rund 24,4 Millionen Euro sind laut Korosec der neu entwickelten Software zu verdanken, die eine erfolgreiche Eintreibung offener Forderungen ermöglicht. Das seien immerhin rund 6 Prozent der Gesamtausgaben von 412,88 Millionen Euro, die 2012 an die BMS-Bezieher geflossen sind. Und die hätte man sich eigentlich auch schon in den Jahren davor ersparen können - 2011 und 2012 wären das immerhin 50 Millionen Euro gewesen, ist Korosec überzeugt. "Und wieder einmal führen klassische Managementfehler von der Gesundheitsstadträtin dazu, dass das Steuergeld der Bevölkerung achtlos ausgegeben wird", so die Politikerin.
Was Korosec weiters ärgert, ist, dass diese Mittel nun für die Finanzierung des KH Nords eingesetzt werden und nicht bereichsspezifisch in den Sozialbereich. Das zeige wiederum deutlich, dass für das Spitalsprojekt kein Geld vorhanden sei. "Beim Bau kann man die Endkosten wohl mittlerweile - nachdem im Jahr 2010 eine Kostenschätzung von rund 800 Millionen vorgelegt wurde - bei rund 1,3 Milliarden sehen", meint Korosec. Selbst im KH Nord könne heute keiner sagen, wie man den Bau finanzieren soll. Vor allem, wenn mit dem Stabilitätspakt ab 2016 keine Neuverschuldung mehr zulässig ist.
"ÖVP hat zugestimmt"
Im Büro der Gesundheitsstadträtin weist man die Kritik zurück: Die Finanzierung des KH Nord sei gesichert, wird betont. Lediglich der 300 Millionen Euro umfassende EIB-Kredit sei nun aufgebraucht, die restliche Finanzierung erfolge gänzlich über die Stadt und sei im Stabilitätspakt berücksichtigt. Der Bau liege voll im Zeit- und Kostenplan, die Dachgleiche erfolge im Juni. Zahlenspiele über etwaige Mehrkosten des KH Nord werden als "unseriös" bezeichnet.
Auch dass die gesparten Mittel aus der Mindestsicherung ins KH Nord fließen, sei völlig in Ordnung. Um einen Verwaltungsschritt einzusparen, habe man die Summe direkt dem Projekt zukommen lassen, anstatt das Geld wie sonst üblich zuerst in den Gesamttopf zu werfen. Auch Rathaus-intern hieß es gegenüber der "Wiener Zeitung", dass das Geld im Gesamttopf kein "Mascherl" habe. "Das ist wie bei der Schneeräumung. In schneereichen Jahren muss man zuschießen, in schneelosen wandern Überschüsse in den Gesamttopf." Außerdem hätte die ÖVP in der betreffenden Ausschusssitzung dieser "Verwaltungsvereinfachung" zugestimmt", hieß es.
Zum EDV-Programm meint man im Wehsely-Büro, dass es eben dann eingesetzt wurde, als es fertig war. Eine Lücke im Kontrollsystem habe es nie gegeben, wurde betont. Nur die Arbeitsweise wurde verändert: Mit dem Programm sei erstmals eine elektronische Schnittstelle zwischen der Stadt und den Bezirksgerichten eingerichtet worden. Früher sei dieser Verkehr postalisch verlaufen. Im Stadtratsbüro verdeutlicht man das anhand eines Beispiels: Wenn Frau Müller 20 Jahre BMS bezieht und verstirbt, ist es Pflicht der MA 40 (Sozial- und Gesundheitsrecht), festzustellen, ob es im Rahmen der Verlassenschaft Vermögenswerte, wie Sparbücher oder Ähnliches gibt. Ist dies der Fall und wurde daher von der verstorbenen Person zu Unrecht eine BMS-Leistung bezogen, fordert dies die MA 40 beim Verlassenschaftsverfahren zurück.
"ÖVP-Zahlenspiele unseriös"
Wenn das Verfahren einmal abgewickelt ist, kann die MA 40 keine Forderungen mehr an die Erben stellen - daher sei auch eine Rückforderung nach Jahren nicht möglich. Hier von verschwendeten 50 Millionen Euro zu sprechen, sei ebenso unseriös, wie beim KH Nord über Mehrkosten von 500 Millionen zu reden.