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Mit der Veröffentlichung seiner 95 Thesen gegen den Ablasshandel gab Martin Luther 1517 die Initialzündung für die Reformation. Zum 500-Jahr-Jubiläum erinnert das Wien Museum daran, dass selbst Wien für einige Jahrzehnte eine mehrheitlich protestantische Stadt wurde.
Um 1500 veränderten Renaissance und Humanismus, die Entdeckung Amerikas und die Erfindung des Buchdrucks die Weltsicht in Europa grundlegend. Auch Wien war im Wandel: Die Universität blühte auf, wichtige Gelehrte wirkten in der Stadt, Luthers Ideen fielen auf fruchtbaren Boden, auch Kaiser Maximilian fand daran Gefallen. Doch dessen Nachfolger duldeten keinen evangelischen Gottesdienst. Der Bevölkerung blieb das "Auslaufen" in die adeligen Schlösser der Umgebung, besonders Schloss Hernals wurde ein bedeutendes Zentrum der protestantischen Kultur.
Mit drei herausragenden Originaldokumenten - den abgedruckten Thesen Luthers von 1517, dem Augsburger Bekenntnis von 1530 und dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 - richtet die Ausstellung den Blick auch über Wien hinaus.
In diesem Jahr 2017 wird das Reformationsjubiläum von Martin Luther in besonderer Weise europaweit begangen. Zur Reformation gehört zuerst und zuletzt die Bibel. Im Jahr 1500 lesen nicht einmal alle Priester in der Heiligen Schrift. Martin Luther übersetzt die Bibel in die deutsche Sprache. Luthers Sprachgewalt und Sprachtalent sind einmalig und bis heute unerreicht. Luthers deutsche Bibel schlägt ein. Sie wird besonders von der protestantischen Elite rasch und gern gelesen. Luther, schwärmt der deutsche Schriftsteller Thomas Mann 400 Jahre später, habe "durch seine gewaltige Bibelübersetzung die deutsche Sprache erst recht geschaffen". Luthers Deutsch ist kein blutleeres, papiernes Konstrukt, es ist schöpferisch und volksnah. Der Reformator hat, wie er selbst sagt, "dem Volk aufs Maul geschaut".
Die vier Allein. Allein aus dem Wort Gottes wird die christliche Gemeinde geboren. Allein aus dem Wort Gottes erwächst den Predigern Weisheit und Kraft. Allein das Wort Gottes richtet, rettet und trägt die Welt. Das Grundprogramm aller Reformation von Wittenberg bis Genf bleibt sich immer gleich.
SOLA GRATIA = Allein durch die Gnade
SOLUS CHRISTUS = Allein durch Christus
SOLA FIDE = Allein durch den Glauben
SOLA SCRIPTURA = Allein durch die Schrift.
Dabei sucht Luther in der Bibel immer die Mitte, nämlich Jesus, und zwar den Gekreuzigten. Nicht auf hohe Worte menschlicher Weisheit, auch nicht auf tiefe fromme Erlebnisse will er sich verlassen, sondern Allein auf das Wort vom Kreuz (1. Korintherbrief Kapitel 1), das alles menschliche Rühmen zunichtemacht. Weil das Wort Gottes eine so hohe und zentrale Bedeutung für das Leben der Menschen hat, wird die Reformation zu einem zentralen Institut in den evangelischen Städten, Ländern und Dörfern. "Lesen, Schreiben, Beten" sind die Kernkompetenzen, die die Schule auch in der protestantischen Schweiz vermitteln soll. Denn Menschen, die selber in der Bibel lesen können, werden befähigt, Gott zu begegnen und Sein Wort zu vernehmen. Wer die Bibel liest, findet Rettung, Hoffnung und geistiges Profil. So werden Bibel und Bildung zur Quelle für geistiges Humankapital in den protestantischen Ländern Europas.