Neos-Chef Matthias Strolz steht hinter der Freigabe von Cannabis und glaubt, dass die Österreicher bald bereit dafür sind.
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Wien. "Es freut mich, dass sich so viele für unser Kernthema Unternehmertum interessieren", sagt Matthias Strolz bei einer Pressekonferenz in der Herknerin, einem ehemaligen Installateur im 4. Wiener Bezirk, der heute ein Lokal mit Wohnzimmer-Atmosphäre ist. Die Neos treten unter "Unos" zum ersten Mal bei den Wirtschaftskammerwahlen an und hoffen auf solche kreativen Betriebe. Für die Partei ist der Schritt eine große Sache zwei Jahre nach Gründung. Die Grünen machten sich erst 20 Jahre nach ihrer Gründung auf, die Kammer von innen heraus zu verändern.
Die Journalisten haben sich aber nicht deswegen hier eingefunden. Ihr Kernthema ist die Forderung der Neos nach einer Legalisierung von Cannabis. Das weiß Strolz natürlich. Deswegen bittet er vor der Fragerunde, das Thema Cannabis am Schluss zu behandeln. Nach einer Frage zur Kammer geht es ums Kiffen.
Flügelgelähmt
Strolz holt tief Luft und macht klar. "Ich stehe da dahinter." Doch seinen Plädoyers fürs legale Kiffen fehlt das Feuer, es wirkt etwas flügellahm, um bei seinem Lieblingsbild vom "Flügel heben" zu bleiben. Er selbst wollte Cannabis bloß vom Strafrecht ins Verwaltungsstrafrecht verschieben. Ein Joint wird dann wie eine Verkehrsstrafe geahndet. Das ist die grüne Linie. Doch die Jungen in der Partei hielten es für eine Augenauswischerei und setzten den nächsten Schritt - die totale Freigabe - als Parteilinie durch.
Was bleibt Strolz also übrig, als diese mitzutragen? Basisdemokratie definiert auch er als Kernwert. Und Mut. Deswegen wäre ein Einknicken vor "Kronen-Zeitung" oder ÖVP-Wählern, die ihre Neos-Abenteuer im Kopf sofort wieder vergessen, der falsche Weg. Dann hat er durch ein Nicht-Kernthema ein Problem mit seinen Kernwählern. Der Kommunikationsberater Heimo Lepuschitz schreibt auf Twitter: "Kommunikativ völlig richtig von Strolz, die Legalisierung jetzt offensiv durchzuziehen und nicht einzuknicken."
"Keine Chefsache"
Klar. Die Partei hat Angst, auf Orchideenthemen festgenagelt zu werden, wie einst das Liberale Forum (LIF) auf die Kreuzdebatte im Klassenzimmer. Deswegen versucht Strolz, das Thema aus dem Winkerl zu holen. "Das Thema ist reif für Bewegung, es kommt sowieso. Die Bevölkerung ist schon viel weiter", so Strolz. Laut "Profil" sind 34 Prozent für eine Freigabe, 56 Prozent dagegen. Bei den Jungen liegt der Prozentsatz wohl deutlich höher, dort sind die Neos stärker als bei den Pensionisten.
"Eine halbe Million Menschen, die mit Cannabis in Kontakt sind, werden in die Kriminalität gezwungen. Es geht darum, Dealern und kriminellen Strukturen das Wasser abzugraben", sagt er monotoner als üblich.
LIF-Schicksal? "Wir sind weiter als vor zwanzig Jahren." Er muss es hoffen. Denn "Kronen-Zeitung", FPÖ und ÖVP betreiben die LIF-isierung der Neos aktiv.
Bei den Grünen hat die ÖVP-Kampagne gegen die "Haschtrafiken" nachhaltige Wirkung entfacht. Nur noch die Grünen in Wien fordern eine Freigabe und kontrollierte Abgabe.
Wie würde Strolz das Gras verteilen? Über Apotheken zum Beispiel. Wie steht er zum Eigenanbau daheim? "Für den Eigenbedarf. Warum nicht?", sagt er zaghaft.
Nun sind die Neos mit ihrem Chef Strolz die "Legalize-it"-Partei, und der meint: "Das ist keine Chefsache." Sehr wohl Chefsache ist ein klares Nein zum nächsten Schritt: der völligen Freigabe von Drogen. Das fordern die jungen Liberalen Neos (Junos). Auch hierfür finden sich Studien und Denkrichtungen, die das auf Verweis mit dem gescheiterten "War on Drugs" empfehlen.
Das Bundesbüro betonte aber, dass dies nicht die Linie der Neos sei, "das geht uns zu weit". Es sei aber das Vorrecht der Jugend, "steil" zu sein, in anderen Parteien sei das auch nicht anders.
Bewusstsein erweitern
Die Junos sind der Ansicht, "dass es im Sinne einer freien Gesellschaft wäre, dass jedes Individuum für sich selbst entscheidet, welche Substanz es konsumiert". Einen verantwortungsvollen Umgang mit gesundheitsschädlichen Substanzen könne man "nicht durch eine reine Verbotskultur erreichen, wie sich durch die verfehlte Drogenpolitik gezeigt hat". Vielmehr bedürfe es einer viel stärkeren Bewusstseinsschaffung über die negativen Konsequenzen und Auswirkungen von Drogen aller Art - "durchaus auch jener die schon jetzt legal erwerbbar sind". Die Jungen Neos verweisen in ihrem Programm auf "fatale Folgewirkungen" der Illegalität.
Ach ja, die Neos fordern das Ende der Pflichtmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer. Ab 2019 sollen Firmen die Möglichkeit haben, den Ausstieg zu wählen. Und sie finden, dass 850 Millionen Euro für eine "Tintenburg" , die nur 30 Prozent wählen, überzogen sind. 50 Prozent der Kammermitglieder sind Einpersonen-Unternehmen. Die wollen die Neos zur Wahl bringen. Dann könnten sie in Wien die Absolute der ÖVP knacken. Vielleicht sind einige von ihnen unter den 500.000. Dann sind die unterschiedlichen Kernthemen doch noch verschmolzen.