1970 begannen die Pläne für den 380-kV-Ring, 2025 könnte er nun fertig sein. Oft können wir uns das nicht mehr leisten.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Im Jahr 1970 hat die Republik den Plan gefasst, einen Hochspannungsstromleitungsring zu errichten. Exakt 50 Jahre später erteilt nun der Verwaltungsgerichtshof letztinstanzlich grünes Licht für den Bau des letzten fehlenden Teilstücks in Salzburg. Genauer gesagt hat er eine bestehende Baugenehmigung erneut bestätigt. Im Salzburger Landtag war das übrigens zum ersten Mal im Mai 1989 ein Thema.
Damals war Österreich noch bei der Efta, Ungarn begann, den Eisernen Vorhang abzubauen, die DDR war ein selbständiger Staat, die UdSSR ein Imperium und China mit sich selbst beschäftigt. Das nur zur historischen Einordnung.
Fünfeinhalb Jahrzehnte - der Lückenschluss im 380-kV-Ring ist für 2025 vorgesehen - vom ersten Beschluss bis zur Vollendung eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte Österreichs sagen viel über dieses Land aus. Man kann dieses halbe Jahrhundert als Beleg dafür heranziehen, dass Großprojekte einfach ihre Zeit benötigen, um den notwendigen Konsens herzustellen; als Beweis für höchste demokratische und verfahrensrechtliche Standards, die Betroffenen und Kritikern Mitsprache zugestehen. Und mindestens so sehr dient diese biblische Zeitspanne als mahnendes Monument, dass die Rädchen der Republik viel zu langsam für die Erfordernisse der Gegenwart und absehbaren Zukunft drehen.
Österreich ist nicht China und darf auch nicht dazu werden, wo weitaus einschneidendere Großprojekte innerhalb weniger Jahre einfach und gegen breiten Widerstand durchgesetzt werden. China ist weder ein Rechtsstaat noch eine Demokratie, aber auch Rechtsstaaten und Demokratien stehen vor der Herausforderung, Großprojekte, die dem Gemeinwohl der jetzigen und künftigen Generationen dienen, in angemessener Zeit durch- und umzusetzen.
Das ist eine Frage, die nicht nur das kleine Österreich mit seinen neun Bundesländern umtreiben sollte, sondern vor allem auch die große EU mit ihren 27 Mitgliedstaaten. Die Kunst besteht dabei darin, Umsetzungseffizienz mit hohen, ja höchsten rechtsstaatlichen Verfahrensstandards unter Berücksichtigung aller berechtigter Interessen zu verbinden. Das umfasst das Gemeinwohl der Gemeinschaft genau so wie schützenswerte Anliegen unmittelbarerer Betroffenen, Umwelt- und Klimaschutz genauso wie wirtschaftliche Kriterien.
Leicht ist das keineswegs, wie unzählige Versuche für Beschleunigungen in Österreich wie Europa zeigen. Aber dringend notwendig. Wenn wir scheitern, scheitert auch der "European Way of Life".