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5500 D-Mark pro Student

Von Martyna Czarnowska

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In der kommunistischen Zeit ließ sich Rumänien die Emigration von Deutschen bezahlen. Doch wirtschaftliches Kalkül hatte auch Deutschland.


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Eine Person mit höherer Ausbildung: 11.000 Deutsche Mark.

Ein Student: 5500 D-Mark.

Ein Techniker: 2900 D-Mark.

Keine Ausbildung: 1800 D-Mark.

Der Preis für Auswanderungswillige war in Rumänien genau festgelegt, mit einer Richtlinie aus dem Jahr 1970 fixiert. Auf die heutige Währung umgerechnet, zahlte die Bundesrepublik Deutschland 600 bis 5500 Euro für jene Rumänien-Deutschen, die in den Westen emigrieren wollten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg zählten die Deutschen - die Siebenbürger Sachsen etwa - zu den größten Minderheiten in Rumänien. Fast eine halbe Million von ihnen lebte noch in den 1950er Jahren dort. Doch die Verlockung, dem kommunistischen Staat den Rücken zu kehren, war groß, zumal Deutschland bereit war, Rumänien für die Ausreisevisa etwas zu zahlen.

Um diesen "Freikauf" von Menschen ranken sich bis heute zahlreiche Mythen, genährt durch Behauptungen wie jene eines einst übergelaufenen Securitate-Generals. Drei wichtige Exportgüter hätte Rumänien gehabt, erklärte der Ex-Geheimdienst-Mitarbeiter später in den USA: das Erdöl, die Juden und die Rumänien-Deutschen.

Einige dieser Legenden rückt nun eine Studie des Nationalen Rates für die Untersuchung des Securitate-Archivs (CNSAS) zurecht. Die Behörde, die zur Aufarbeitung der Dokumente des kommunistischen Geheimdienstes geschaffen wurde, befasste sich mit den Geheimabkommen zwischen Berlin und Bukarest, wobei vor allem die Jahre 1962 bis 1989 untersucht wurden.

In dieser Zeit wurden rund 230.000 Menschen ausgelöst. Doch sei die Initiative, Menschen gegen Geld zu tauschen, ursprünglich nicht - wie lange angenommen - von Rumänien ausgegangen. Sie sei von außen gekommen, zitiert das Portal HotNews.ro einen der Studienautoren, Florian Banu. Schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ausgewanderte Rumänien-Deutsche haben Druck gemacht, Verwandte nachzuholen. Und was mit Bemühungen einzelner Familien begann, mündete in inoffiziellen Verhandlungen zwischen Beauftragten der deutschen Regierung und des rumänischen Securitate bis hin zu Geheimabkommen zwischen beiden Ländern.

Doch laut dem Historiker Banu war - entgegen früheren Vermutungen - weder der Tauschhandel für Rumänien ein immens lukratives Geschäft, noch ließ sich Deutschland von rein humanitär-altruistischen Ideen leiten. Im Westen hatte nämlich ein ökonomischer Aufschwung eingesetzt; die Wirtschaft brauchte dringend zusätzliche Arbeitskräfte. Diese wurden nicht nur in Jugoslawien oder der Türkei angeworben, sondern eben auch aus Rumänien geholt.

Der kommunistische Staat wiederum hat sich mit den Devisen weniger bereichert als damit einen Teil seiner Auslandsschulden beglichen. Gleichzeitig nutzte Securitate die Möglichkeit, unter die Emigranten auch Spione zu mischen und in den Westen zu schmuggeln.

Politisches wie wirtschaftliches Kalkül war so auf beiden Seiten vorhanden. Und die Abkommen galten fast bis zum Zusammenbruch des kommunistischen Regimes.

Nach 1989 aber setzte die nächste Auswanderungswelle ein. Mehr als zwei Millionen rumänische Staatsbürger verließen das Land, die meisten von ihnen auf der Suche nach einem Job. Von den Rumänien-Deutschen, die das Bild ganzer Städte geprägt hatten, blieb nur ein ganz kleiner Bruchteil.