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60 Jahre nach Rom - eine neue EU-Vision

Von Ulrike Lunacek

Gastkommentare
© Franz Johann Morgenbesser - CC 2.0

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Vor 60 Jahren trafen sich in Rom die Vertreter von sechs Nationen, um nach den Verwundungen zweier Weltkriege alles auf eine Karte zu setzen: Statt Konfrontation strebten sie nach einem auf wirtschaftlichen Interessen gegründeten friedlichen Miteinander. Durch die wirtschaftliche Integration der europäischen Gesellschaften sollte schrittweise eine politische Gemeinschaft entstehen. Die Erfahrungen zeigen jedoch: Allein aus ökonomischer Integration erwächst nicht automatisch eine politische Union. Dafür ist der Aufbau einer Gemeinschaft nötig, die sich durch ein gemeinsames Schicksal, ein gemeinsames Wir-Gefühl verbunden fühlt.

Trotz aller Krisen ist die EU nach wie vor das ambitionierteste europäische Projekt. Gleichzeitig ist sie weltweiter Hoffnungsträger für alle, die unter totalitären Regimes leiden. Auf einem Kontinent mit blutiger Vergangenheit ist sie ein Zeichen des Friedens und der noch nie gekannten Zusammenarbeit der Bürger Europas. Diese Errungenschaften können aber nicht über die Krisen hinwegtäuschen, die die soziale, wirtschaftliche und demokratische Stärkung der EU bedrohen. Die Mitgliedstaaten sind nicht in der Lage, einheitliche, praktikable und solidarische Lösungen zu finden. Das sture Beharren auf Sparmaßnahmen, die gegenseitige Blockadepolitik und die Nicht-Verteilung von Flüchtlingen haben mehr und mehr die gemeinschaftliche Einheit vergiftet, die Ungerechtigkeit vertieft, die Arbeitslosigkeit explodieren lassen und das Versprechen von gemeinsamem Wohlstand und Solidarität ausgehöhlt.

Deswegen finden die Feiern in Rom statt: um zu zeigen, dass Europa nach wie vor unsere gemeinsame Heimat ist, und um zu bestätigen, dass wir diese Heimat gegen die neuen nationalistischen und chauvinistischen Bewegungen und ihre Parolen des Gegen- statt Miteinanders verteidigen werden.

Das bedeutet die Ausweitung unserer Rechte und Freiheiten im Rahmen der EU und nicht deren Einschränkung.

Das bedeutet angesichts von Klimawandel und Ressourcenknappheit die Forderung nach einer grünen Revolution und dem Ausstieg aus fossiler Energie.

Das bedeutet, in unsere Kinder, in Bildung, in nachhaltige Unternehmen und in hochwertige Jobs zu investieren.

Das bedeutet, mit einem echten EU-Budget Solidarität zu fördern, Wohlstand neu zu definieren und Ausgrenzung und Armut zu beenden.

Das bedeutet, jenen zu helfen, die vor Krieg und Armut fliehen - - in allen EU-Staaten und vor Ort.

Und das bedeutet nicht zuletzt, vehement gegen Korruption, schlechte Regierungsführung und gesellschaftszerstörende Steuerfluchtpraktiken vorzugehen.

60 Jahre nach dem ersten Treffen in Rom ist keine Zeit für Nostalgie. Heute gilt es ein neues Kapitel europäischer Geschichte aufzuschlagen: Aus der EU muss eine effektive und vielschichtige Demokratie werden. Wie vor 60 Jahren treibt uns heute wieder eine Vision: ein neuer Vertrag für eine soziale, demokratische und ökologisch nachhaltige EU.

Dossier: 60 Jahre Römische Verträge