Schüssel: Erster Schritt zur endgültigen Rechtssicherheit. | Außenministerium hofft auf rasche Abweisung. | Expertin warnt: Es wird noch dauern. | Wien.Fest steht, dass in den USA die letzte noch offene Sammelklage von NS-Opfern gegen die Republik Österreich und die Österreichische Industrieholding AG (ÖIAG) abgewiesen wurde. Die Abweisung der Klage begründete das US-Berufungsgericht nicht zuletzt mit dem "Statement of Interest" der amerikanische Regierung. Diese hat darin betont, dass die Klagsführung nicht im außenpolitischen Interesse der USA liege und dass mit dem Entschädigungsfonds ein "Forum" geschaffen worden sei, welches für die Forderungen der Kläger zuständig sei.
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Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sieht in dem Urteil vom Mittwoch den ersten Schritt zur endgültigen Rechtssicherheit. Einen konkreten Zeitplan für die weitere Vorgangsweise konnte er aber nicht nennen. Experten würden die Rechtssicherheit prüfen. Man werde das Thema so schnell wie möglich erledigen, es liege aber "nicht in unserer Hand", so Schüssel.
Grund für die Zurückhaltung ist vor allem die Tatsache, dass das Verfahren gegen österreichische Firmen, wie die Voest, Böhler Udeholm, RZB und die VA Tech, noch offen ist. US-Anwalt Jay R. Fialkoff hatte dennoch bereits am Mittwoch von "Rechtssicherheit" gesprochen. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Ariel Muzicant hingegen warnt vor voreiligen Schlüssen: "Wir prüfen das Urteil und überlegen die Konsequenzen. Und wir rufen zur Vorsicht auf, um nicht falsche Hoffnungen zu wecken."
Bis nun tatsächlich Gelder aus dem 210 US-Dollar schweren Entschädigungsfonds fließen, kann es also noch dauern. Für das Außenministerium ist nun entscheidend, dass die offenen Verfahren mit den Unternehmen auf eine Art abgewiesen werden, dass die Rechtssicherheit erklärt werden kann. Das Gericht in New York habe dem zuständigen Bezirksgericht nun eine Frist von maximal 60 Tagen eingeräumt. Ebenfalls festgelegt wurde eine Frist von 21 Tagen, innerhalb derer alle im Verfahren Beteiligten schriftliche Eingaben beim Bezirksgericht machen können. In den nächsten Tagen solle die weitere Vorgangsweise festgelegt werden. Am Donnerstag konnte mit den Anwälten in den USA wegen des "Thanksgiving"-Feiertags nur eingeschränkt beraten werden.
Ein NS-Opfer zog Klage nicht zurück
Eva Blimlinger von der Historikerkommission ist skeptisch. Selbst wenn die noch ausstehenden "Formalangelegenheiten" eintreffen, die Vorauszahlungen an die NS-Opfer würden noch dauern. 1600 der insgesamt 19.000 Anträge seien bisher bearbeitet. Jeder einzelne dieser Anträge habe nun eine Einspruchsfrist. Die Betroffenen könnten gegen die Vorauszahlungen Einspruch erheben, weil sie den Endbetrag nicht kennen, so Blimlinger.
Außerdem: Ein Kläger sei weiterhin mit der Abweisung der Klage nicht einverstanden. Wenn dieser Konsens nicht gefunden werde, "dann wird es heikel". "Aus dessen Sicht hat sich nichts verändert", so Blimlinger. Warum sollte sich jemand, dem etwa ein Schadenersatz von 80.000 US Dollar zusteht, mit 20.000 zufrieden geben?
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