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64 Anlegerklagen gegen Fondsfirma ArtIn Finance

Von Kid Möchel

Wirtschaft
Spekulationen von ArtIn Finance gingen schief.
© © © Justin Guariglia/Corbis

Anleger erheben schwere Vorwürfe gegen Linzer Finanzmathematiker.


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Wien. Die Richter am Handelsgericht Wien sind nicht nur mit Massenklagen in Sachen Meinl, Immofinanz-Constantia Privatbank und AWD eingedeckt, sondern auch die exorbitanten Anlageverluste der Vermögensberaterfirma ArtIn Finance um den Linzer Universitätsprofessor und Finanzmathematiker Gerhard Larcher haben zu einem Klagsreigen geführt. Denn: Die Verjährungsfrist (drei Jahre) in Sachen Schadenersatz ist kürzlich abgelaufen.

Derzeit sind 64 Klagen gegen ArtIn Finance (AIF) anhängig, bestätigt Alexander Schmidt, Vizepräsident des Handelsgerichts Wien der "Wiener Zeitung".

In vielen Fällen ist die Constantia Privatbank (CPB) Kapitalanlage GmbH Zweitbeklagte, die den AIF-Fonds Option+ mit einer Mindesteinlage von 50.000 Euro verwaltete. Ein institutioneller Anleger sitzt auf einem Schaden von 3,4 Millionen Euro. AIF, Larcher und die CPB KAG bestreiten die Vorwürfe.

Das Gros der geschädigten AIF-Anleger wird von Anwalt Michael Brand sowie von den Kanzleien Kraft & Winternitz und Hasch & Partner vertreten.

Im Mittelpunkt stehen hochspekulative Optionsgeschäfte, die Larcher mit einer Art Trendfolgesystem durchführt, das er selbst entwickelte. Im Fall des Fonds AIF Option+ ging das völlig schief, der Verlust betrug insgesamt 86 Prozent. Aus der Substanz mussten 51,3 Millionen Euro zur Verlustabdeckung aufgebracht werden, das Ergebnis betrug minus 38 Millionen Euro.

"Das wurde zuvor als rigoroses Risikomanagement verkauft", ätzt Anlegeranwalt Brand. "Die Investmentbank Lehman geht am 15. September 2008 pleite, die gesamte Wirtschaftswelt erbebte, die Volatilität steigt so stark, dass jeder weiß, es wird etwas passieren. Nachsatz: "Larcher ignoriert das und fährt dann einen wirklich großen Verlust ein."

Laut Brand war die damals erkennbare Volatilität, also Schwankung der Finanzmarktparameter, mit einem Orkan vergleichbar. Ein umsichtiger Kapitän bleibt bei einem Orkan so lange im Hafen, bis sich die Wetterlage so weit normalisiert hat. "Ein Kapitän läuft keinesfalls aus einem sicheren Hafen aus und mitten in einen Orkan hinein", erklärt der Anwalt. Denn: Laut Gerichtsprotokoll hat Larcher nach einem ersten Verlust am 6. Oktober 2008 nochmals 80 Prozent investiert.

Vorwürfe bestritten

"Die Volatilität war zu diesem Zeitpunkt sehr hoch. In dieser Phase kann man sehr hohe Erträge erzielen", sagte der Professor Anfang November 2011 vor Gericht aus. Eine historische Verlustsituation wie sie am 10. Oktober "eingetreten ist, hat es vorher nicht gegeben." Und er sagte auch, dass es richtig ist, dass AIF 19 Monate Gewinn machen muss, um sich ein Monat Verlust leisten zu können. Denn die Zielrendite beträgt 16 Prozent. "Ich schließe aus, dass ArtIn Finance irgendwelche Verfehlungen angelastet werden können", sagt AIF-Anwalt Philipp Strasser. "Alle bisher entschiedenen Verfahren wurden gewonnen. Zuletzt haben das Oberlandesgericht Linz und das OLG Wien zwei Klagen rechtskräftig abgewiesen." Nachsatz: "Auch Sachverständige haben bestätigt, dass ArtIn Finance im Herbst 2008 sorgfältig gehandelt hat." Ein Sachverständiger hielt fest, "dass es sehr unwahrscheinlich war, dass Verluste in der Größenordnung eintreten." Und die Kunden hätten Kenntnis über das hohe spekulative Risiko der Veranlagung gehabt.