Mehr als die Hälfte der Klagen betrifft die Meinl Bank. | In Musterverfahren gegen den AWD wird das Urteil erwartet. | Wien. Über dem Kapitalmarkt schweben nach wie vor massive Gewitterwolken. Am Handelsgericht Wien und am Bezirksgericht für Handelssachen sind derzeit rekordverdächtige 6627 Zivilklagen anhängig, die Anleger gegen die Meinl Bank, Constantia Privatbank, UniCredit und den AWD eingebracht haben. Nicht eingerechnet sind dabei Sammelklagen, wie Alexander Schmidt, Vizepräsident des Handelsgerichts, bestätigt.
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Mehr als die Hälfte der Verfahren (3519 Klagen) betrifft die Meinl Bank; großteils geht es um Schäden, die durch den umstrittenen Rückkauf von Wertpapieren der Immobilienholding Meinl European Land ausgelöst worden sein sollen.
Weitere 1946 Klagen betreffen die frühere Constantia Privatbank, heute Aviso Zeta. Das Gros dreht sich um Verluste bei Immofinanz-Aktien als Folge mutmaßlicher Malversationen.
Mit 283 Verfahren muss sich die UniCredit Bank Austria herumschlagen, die sich hauptsächlich auf die hauseigene Fonds-Erfindung "Primeo Fund" beziehen. Hier wurden die Anlegergelder via Primeo dem scheinbaren US-Finanzgenie Bernie Madoff überlassen, der tatsächlich ein Mega-Schneeballsystem betrieb.
879 Klagen gegen AWD
Genau 879 Einzelverfahren entfallen auf den Finanzdienstleister AWD, dem unter anderem Fehlberatung beim Vertrieb von Immofinanz-Aktien vorgeworfen wird. Zugleich wurde der AWD vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) mit fünf Sammelklagen (2500 Anleger, rund 40 Millionen Euro Streitwert) eingedeckt. Der Vorwurf: systematische Fehlberatung. Der AWD weist das zurück.
Nach den ersten für den AWD negativen Urteilen soll Bewegung in die Sache gekommen sein. "Viele Fälle werden verglichen. Es gibt durchwegs gute Gesprächsbereitschaft, aber das heißt nicht, dass in jedem Fall gezahlt wird", sagt Anlegeranwalt Michael Poduschka. Er rechnet damit, dass die von ihm betreuten 320 AWD-Verfahren Ende des Jahres großteils "erledigt" sind. "Es gibt etwa zwei Handvoll Verfahren, die sich ziehen werden", meint Poduschka. Der AWD will keine Angaben über die Zahl der Fälle machen, in denen man sich mit Anlegern gütlich geeinigt hat.
Muster-Urteil erwartet
Indes steht in einem Musterverfahren (51 Cg 40/11f), das der VKI gegen den AWD eingebracht hat, in Kürze ein Urteil ins Haus. Das Verfahren ist bereits beendet. Laut Klage soll der Anlegerin G. vom AWD-Berater "eine Geldanlage (Immofinanz-Aktien) verschafft worden sein, die sie nicht wollte - unter Missachtung der Aufklärungspflichten und des Risikoprofils". "Frau G. wollte eine risikolose Anlageform", heißt es in den Akten. "Statt einem sinnvollen Portfoliomix wurde zu einem eindimensionalen Investment in Immobilienaktien geraten." Selbst der Begriff "Aktie" soll im Beratungsgespräch nicht gefallen sein.
Indes argumentiert der AWD, dass der Schaden nicht durch die Beratung, sondern durch mutmaßliche Malversationen bei der Constantia Privatbank verursacht worden sei.
Kein Schadenersatz
Im Fall einer anderen AWD-Kundin musste der VKI eine Niederlage einstecken. Das Oberlandesgericht Wien (Aktenzahl 3 R 15/11i) kam zum Schluss, dass die Anlegerin falsch beraten wurde, weil man ihr den Eindruck vermittelte, bei "Immofinanz" handelt es sich um eine Fondsbeteiligung, bei der ein geringeres Risiko als bei Aktien bestehe". "Der Anlegerin entstand ein realer Schaden bereits dadurch, dass sie ihren Wünschen und Vorstellungen (.. .) nicht entsprechende Wertpapiere - Aktien statt Fonds-Anteile - erhielt", heißt es in dem Urteil.
Trotzdem wurde ihre Schadenersatzansprüche wegen Verjährung abgelehnt. Denn aus den Depotauszügen wusste die AWD-Kundin laut Gericht bereits seit Jahren, dass es sich bei "Immofinanz" um Aktien handelt. Zitat aus dem Urteil: "Wenn sie absolut keine Aktien hätte haben wollen, wäre es zumutbar gewesen, dass sie diese Aktien verkauft."