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7. Juli: Lostag für Medizin-Nachwuchs

Von Heiner Boberski

Wissen

5611 Bewerber für 1140 Studienplätze. | Quotenregelung sichert Österreich 75 Prozent der Plätze. | Kritik an Form und Kosten des Tests. | Wien. Was an den Kunstuniversitäten seit jeher die Regel ist - eine beinharte Auswahl jener, die am besten qualifiziert scheinen -, hat nun auch an den Medizin-Unis Einzug gehalten. Lostag für das kommende Studienjahr ist Freitag, der 7. Juli: Da entscheidet sich in Wien und Innsbruck ab 8 Uhr früh bei einem ganztägigen Eignungstest (EMS), wer von den mehr als 5600 Bewerbern im Wintersemester 2006/07 für einen der 1140 Anfänger-Studienplätze an den beiden Unis zugelassen wird. Bewusst am gleichen Tag, um die Bewerber zu verteilen, findet die persönliche Anmeldung samt "Kennlern-Interview" für ein Studium an der Medizin-Uni Graz statt. Dort gibt es 160 Anfänger-Studienplätze, die dann bei einem Wissenstest am 1. September vergeben werden.


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Das harte Aussieben der künftigen Medizinstudenten fällt haargenau auf den Jahrestag jenes Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), das zu dieser Maßnahme geführt hat. Der EuGH befand, Österreich dürfe beim Hochschulzugang nicht nach dem "Herkunftslandprinzip" vorgehen und daher nicht nur Maturanten studieren lassen, die auch in ihrem Heimatland einen Studienplatz nachweisen können.

Deutscher Ansturm

Die Folge: Vor allem deutsche Maturanten mit mittelmäßigem Reifezeugnis, denen in ihrer Heimat aufgrund des "numerus clausus" ihr Wunschfach (oft Medizin) nicht offen stand, drängten an Österreichs hohe Schulen. Hier behalf man sich mit teils recht improvisiert wirkenden Lösungen, etwa dem Prinzip "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst". Das trug natürlich nicht den Leistungen und Fähigkeiten der künftigen Akademiker Rechnung und ist längst Vergangenheit.

Der EMS stellt die Medizin-Unis vor große organisatorische Herausforderungen: In Wien (3429 Interessenten für 740 Plätze) hat die Uni die 16.000 Quadratmeter große Halle A am Messegelände Wien angemietet, 110 Aufsichtspersonen sollen für den korrekten Ablauf sorgen. In Innsbruck (2182 Interessenten für 400 Plätze) sind dafür sogar sechs Messehallen und 120 Aufsichtspersonen nötig. An beiden Standorten sorgt außerdem ein Sicherheitsdienst für den korrekten Ablauf.

Für die Zulassung zum Medizinstudium ist die vom Nationalrat Anfang März beschlossene neue "Quotenregelung" maßgeblich. Demnach stehen 75 Prozent der Studienplätze Bewerbern mit österreichischem Maturazeugnis zur Verfügung (in diese Quote fallen auch Bewerber aus Südtirol, Liechtenstein und Luxemburg), 20 Prozent für solche aus anderen EU-Ländern und fünf Prozent aus anderen Staaten. Von den 3429 Bewerbern in Wien kommen 62 Prozent aus Österreich, 31 Prozent aus Deutschland, zwei Prozent aus anderen EU-Staaten und vier Prozent aus Nicht-EU-Ländern.

Ergebnisse Ende Juli

In Innsbruck sind die deutschen Kandidaten (58 Prozent) unter den 2182 Bewerbern in der Überzahl, 33 Prozent kommen aus Österreich, sieben Prozent aus Südtirol und zwei Prozent aus einem anderen Land. An beiden Standorten wird sich nur etwa jeder Fünfte für einen Platz "qualifizieren". Mit den Testergebnissen ist Ende Juli zu rechnen. Wer keinen Platz erhält, kann also noch problemlos auf ein anderes Fach umsteigen. Da haben die ausgeschiedenen Grazer Kandidaten, die erst Ende September Bescheid wissen, etwas Rückstand.

Während die Verantwortlichen an den Medizin-Unis die Tests als bestmögliches Verfahren bezeichnen, stoßen die strengen Auswahltests auch auf Kritik, einerseits bei denen, die um jeden Preis am völlig freien Hochschulzugang festhalten wollen, anderseits auch aus inhaltlichen Gründen. So kritisierte unlängst der Wiener Arzt Werner Vogt in einem Gastkommentar für die "Wiener Zeitung", der in Wien und Innsbruck angewandte Test prüfe nur Computertauglichkeit und Organisationstalent der Kandidaten, nicht deren soziale Eigenschaften: "Alle affektiven, kognitiven, ethischen und pragmatischen Probleme der Arzt-Patienten-Beziehung werden ausgeblendet."

Scharfe ÖH-Kritik

Die ÖH (Österreichische Hochschülerschaft) spricht von einem "Medizin-Knock-Out-Test" und nennt das Unternehmen reine Geldverschwendung: "Um das Geld, das die K.O.-Prüfung kostet, könnte man einige Medizin-Studierenden mehr zulassen", so Barbara Blaha aus dem ÖH-Vorsitzteam.

Lina Anna Spielbauer aus dem ÖH-Vorsitzteam regt sich in einer Aussendung darüber auf, dass es insgesamt 230 Aufsichtspersonen und einen Wachdienst gebe: "Wir Studierende wollen wie NachwuchswissenschaftlerInnen behandelt werden, nicht wie VerbrecherInnen!"

Seitens der ÖH fehlt auch nicht Kritik an den Kosten: "Alleine die Lizenzgebühr kostet schon 60.000 Euro, die Halle A in Wien weitere 40.000, die Hallen in Innsbruck etwa genauso viel. Schon ohne Personalkosten beläuft sich die Knock-Out-Prüfung auf mindestens 150.000 Euro."