Analyse: Für eine Steuerreform liegen alle Zutaten auf dem Tisch. Wann richtet die im Streit paralysierte Koalition endlich an?
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Wer noch einen letzten Beweis benötigte, wie überfällig eine Senkung der Lohnsteuer ist, der merke sich die Zahl "5,6".
Um 5,6 Prozent stiegen die Einnahmen aus der Lohnsteuer im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahr. Wären die Löhne um dieses Ausmaß gewachsen, ein Kaufrausch wäre die Folge. Würde die gesamte Wirtschaft um diese Rate wachsen, Österreich wäre schlagartig ein neuer Tigerstaat.
Doch das Wachstum der Wirtschaft und der Löhne gleichen eher einem Bettvorleger, wirklich Zähne zeigt eben nur die Steuer - der kalten Progression (automatischer Steuersprung) sei Dank. Die Schmerzgrenze ist erreicht. Das Körberlgeld für den Staat aus den Löhnen ist nicht mehr akzeptabel.
Also muss der Eingangssteuersatz von 36,5 Richtung 25 Prozent. Das kostet den Finanzminister bis zu fünf Milliarden Euro. Das müsste er woanders einsparen. Aber in dieser Größenordnung wäre das politischer Selbstmord.
Trotzdem sollte jeder der 500 Sparvorschläge des Rechnungshofes, die seit Jahren auf dem Tisch liegen, ausgereizt werden. Denn je größer der demonstrierte Sparwille, desto größer die Bereitschaft vieler Vermögenden, Erben, Wirtschaftstreibenden, Aktionäre, einen Beitrag für die Senkung der Steuern auf Massenlöhne zu leisten. Nur "Vermögenssteuern!" rufen, aber beim Sparen auf die Bremse zu steigen, diese Attitüde war mit ein Grund für die Dauer-Blockade.
An vermögensbezogenen Steuern als Finanzquelle für eine kräftige Lohnsteuersenkung führt trotzdem kein Weg vorbei. Vor allem nicht in einer Koalition aus zwei Parteien, die jeweils ihr Klientel beim Sparen schonen möchte. Und was ist mit den viel zitierten 20 Milliarden an Förderungen? Österreich gilt in Europa als Subventionskaiser. Hier ist ein Großteil an Spitalskosten, Bankpaketen, ÖBB-Ticketzuschüsse gebunden. Kürzungen von mehr als 500 Millionen jährlich hält das Wifo deswegen für unrealistisch.
Bei den Vermögenssteuern scheidet eine Steuer de facto aus: Die Vermögenssteuer auf Immobilien und Finanzvermögen. Sie wäre neu und auf ihr Credo "keine neuen Steuern" hat sich die ÖVP eingeschworen. Deswegen hat man in der Steuerreformgruppe längst den Fokus auf die Grundsteuer gerichtet. Sie wird bereits eingehoben, bringt aber wegen der niedrigen Einheitswerte aus den 80er Jahren nur noch 700 Millionen Euro. Bisher hat sich noch jede Regierung davor gedrückt, die Bewertung von Grund und Boden zu reformieren und die Einheitswerte an die realen Werte der Immobilien anzunähern. Drückt sich auch diese Regierung vor dem - nicht zuletzt rechtlich - Überfälligen, gleicht das einer Arbeitsverweigerung.
Die Neuberechnung wäre auch Basis für eine Erbschaftsteuer. Bei einem Freibetrag von einer Million bliebe sie auf Reiche beschränkt. Sie wurde 2007 abgeschafft. Das war bequemer, als die verfassungswidrigen Einheitswerte zu reparieren. Der Steuer-Schaden ist jetzt dafür umso größer.
Als Alternative kann auch die Kapitalertragssteuer von 25 auf 30 Prozent steigen oder ein Bündel weiterer vermögensbezogener Steuern geschnürt werden.
Die wichtigste Zutat: Mut. Mut gegen die Widerstände der Länder, gegen die der eigenen Klientel, gegen die FPÖ-Tiraden zu regieren. Der Lohn der Regierung für mehr Geld im Bürgersäckel wird angemessen sein. Die Wut über den fehlenden Mut detto.