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70 Zementblöcke als Streitobjekt

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Autofahrer stehen wegen scharfer Kontrollen stundenlang in der Hitze.


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Gibraltar/Madrid/London. Der jüngste Konflikt um Gibraltar ist auch nach einem Telefonat des britischen Regierungschefs David Cameron mit seinem spanischen Amtskollegen Mariano Rajoy nicht beigelegt. Die spanischen Behörden führten auch danach weiterhin scharfe Grenzkontrollen durch und Autofahrer mussten bei Temperaturen um die 30 Grad stundenlang auf die Grenzabfertigung warten.

Cameron hatte in dem zehnminütigem Telefonat mit Rajoy seinen Sorgen über die aktuelle Lage um Gibraltar zum Ausdruck gebracht und unterstrichen, dass sich die britische Position in der Souveränitätsfrage nicht geändert habe. Rajoy unterstrich, das die Aktionen Gibraltars zur Behinderung der spanischen Fischereiflotte inakzeptabel seien und dass man die Kontrollen durchführe, um im nationalen Interesse "verbotenen Handel" zu unterbinden. Man sei aber geneigt, die Maßnahmen zu "modulieren", wenn der Dialog zwischen London, Madrid, Gibraltar und der Region Andalusien wiederaufgenommen wird.

Spaniens Außenminister gießt Öl ins Feuer

Der jüngste Streit war ausgebrochen, nachdem Gibraltar Ende Juli siebzig Betonblöcke mit Metallstacheln vor der Küste versenkt hat, um so ein künstliches Riff zu schaffen. Spanien, das nur eine kleine Zone rund um den Hafen von Gibraltar als britisch anerkennt, während die Briten eine Drei-Meilenzone beanspruchen, sieht darin eine Behinderung der Arbeit der spanischen Fischer und hat mit verschärften Grenzkontrollen geantwortet.

In einem Interview mit der Zeitung "ABC" goss der spanische Außenminister Jose Manuel Garcia Margallo noch zusätzliches Öl ins Feuer, indem er eine Gebühr von 50 Euro für Grenzübertritte zur Diskussion stellte, die vor allem Touristen und in Spanien arbeitende Bewohner von Gibraltar treffen würde. Außerdem stellte er Steuerprüfungen für jene Bewohner Gibraltars in Aussicht, die in Spanien Grundstücke besitzen und eine Schließung des spanischen Luftraums für Maschinen, die den Flughafen von Gibraltar ansteuern.

Das britische Außenministerium berief daraufhin den spanischen Botschafter ein und Gibraltar wandte sich mit einer Beschwerde an die EU-Kommission.

Britische Medien spekulierten darüber, ob Rajoy mit dem verschärften Vorgehen von den Korruptionsvorwürfen, mit denen er sich auseinandersetzen muss und der schlechten wirtschaftlichen Lage Spaniens ablenken will.

Im Gegensatz zur sozialistischen Vorgängerregierung von Jose Luis Zapatero, die um eine Entspannung des Verhältnisses zu Gibraltar bemüht war, verschärfte die konservative Regierung von Mariano Rajoy ihre Haltung gegenüber der britischen Kolonie von Anfang an.

Der im September 2006 in Cordoba zwischen Großbritannien und Spanien abgeschlossene Vertrag, der unter anderem Erleichterungen bei den Grenzkontrollen beinhaltete, sowie den Bau eines neuen Terminals des Flughafens von Gibraltar, sodass dieser auch von spanischer Seite genutzt werden konnte, sah auch einen DreiParteien-Dialog zwischen London, Madrid und Gibraltar vor, in dem die Kolonie wie ein souveräner Staat behandelt wurde. Rajoys Volkspartei lehnte das aber entschieden ab und tritt für einen Viererdialog ein - zwischen Spanien und der Region Andalusien auf einer Seite und Großbritannien und Gibraltar auf der anderen.

Darauf deutet auch ein Kommunique des spanischen diplomatischen Informationsamtes nach einem Gespräch der Außenminister William Hague und Jose Manuel Garcia Margallo hin, in dem es wörtlich heißt: "Beide Minister haben die Absicht erklärt, die Situation zu klären, indem sie Ad-hoc-Arbeitsgruppen gründen, in denen neben dem Vereinigten Königreich und Spanien auch die anderen Autoritäten beteiligt sind, die Kompetenzen in diesen Materien haben . . ., die Exekutive von Gibraltar und die Regionalregierung von Andalusien."

Seit die Briten die Spanier in Gibraltar am 4. August 1704 während der Siesta überwältigt und im Vertrag von Utrecht 1713 die Herrschaft über die Halbinsel zugesichert bekommen haben, versucht Spanien, die britische Kolonie zurückzuerobern, 1704, 1727 und 1779 bis 1783 blieben Belagerungen erfolglos. In den 1950-Jahren unternahm Diktator Francisco Franco Annektionsversuche. In zwei Volksabstimmungen - 1967 und 2002 - wurde ein Wechsel zu Spanien mit 12.138 zu 44, und 17.900 zu 187 Stimmen abgelehnt.