Der Fall Phoenix entwickelt sich zum größten Finanzbetrugsskandal der Nachkriegszeit in Deutschland - auch viele österreichische Anleger sind betroffen. Erst viel zu spät flog der langjährige Betrug wegen Ermittlungen der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auf. Viele Anwälte buhlen nun um die geschädigten Opfer.
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Kontounterlagen mit einem Guthaben von mehr als 800 Mio. Euro wurden gefälscht. Ein Großteil des Geldes ist nicht mehr vorhanden und existierte über einen längeren Zeitraum nur noch virtuell. 30.000 Anleger in ganz Europa wurden um ihre Ersparnisse geprellt. Der Betrug flog erst nach Jahren auf.
Schon im Jahr 2000 kurz im Visier der Behörden
Viele fragen sich: Wie konnte die Frankfurter Phoenix Kapitaldienst GmbH aber solange an der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vorbeiwerken? Denn schon 2000 hatten die Finanzaufseher Phoenix kurz im Visier, doch er entkam ungeschoren. Phoenix hatte bei Man Financials, einem der weltweit größten Broker mit Sitz in London, ein Hauptkonto und "managed accounts" eingerichtet. Das heißt, anstelle eines Kontos pro Kunden ein Sammelkonto für alle Geldbeträge eingerichtet.
Dies ist nach deutschem Recht gar nicht gestattet, doch die Phoenix-Finanzjongleure nutzten geschickt eine Gesetzeslücke. So kam es, dass die gleichen Belege an mehrere Kunden verschickt werden konnten.
In Bedrängnis geraten könnte nun auch der Wirtschaftsprüfer Godehard Puckler, der die ordnungsgemäße Abwicklung über Jahre hinweg attestiert hatte. Sollte sich herausstellen, dass die nun vorliegenden Anschuldigungen wahr sind, wird er sich der Frage stellen müssen, wieso er nichts bemerkt hat.
Auch Anlageberater könnten in Bedrängnis kommen
Auch eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Anlageberatern in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist im Fall eines tatsächlichen Betrugsfalls äußerst negativ betroffen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass einige von ihren Kunden belangt werden, sofern die Vermittler unkritische Empfehlungen abgaben oder gar auf einen Abschluss drängten. Phoenix zahlte nämlich überduchschnittlich hohe Vertriebs- (zweistellig) und Bestandsprovisionen (4%) an jene, die mit gutgläubigen Anlegern im Schlepptau kamen. Gleichzeitig wurden den oftmals Unwissenden Traumrenditen bis zu 30% versprochen, die jedoch nichts als Luftschlösser waren. Denn nicht nur die Renditen sind weg, sondern auch das einbezahlte Kapital. Um die Gunst der Geschädigten buhlen nun die Anwälte, die sich ebenfalls ein lukratives Geschäft erwarten. Deshalb sollte man bei der Auswahl Vorsicht walten lassen und auf alle Fälle mehrere Angebote einholen.
Doch nicht alles ist verloren. Die Opfer dürfen zumindest mit 90% der Einlage, maximal 20.000 Euro Entschädigung rechnen. Verantwortlich dafür ist die Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen (EdW) in Berlin, eine Art Versicherung, der Kapitaldienstleister. Die Antragsformulare werden in den nächsten Wochen zugesendet. Danach bleibt ein Jahr Zeit, um den Anspruch geltend zu machen.
Infos: http://www.e-d-w.de oder mail@e-d-w.de oder 004930/203699/5626