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850.000 sahen "Verbrechen der Wehrmacht"

Von Hans Ruoff

Politik

Hamburg · Serbien 1941. Fünf Zivilisten stehen an einer Bretterwand, einer hebt grüßend die Hand. Die deutschen Soldaten legen an, dann liegen die Männer tot am Boden: Fotos aus der Ausstellung | "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944". Nach vier Jahren durch 32 Städte in Deutschland und Österreich ging die erste Tournee der Ausstellung am Sonntag in Hamburg zu Ende. | 850.000 Besucher haben die Bilder gesehen.


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Das private Hamburger Institut für Sozialforschung hat 800 Fotos zusammengetragen: Erschossene, Erhängte, Deportierte. Menschen in Erwartung ihres Todes. Dazu die Täter: Männer in Uniformen der

deutschen Wehrmacht. Keine Angehörigen der Nazi-Elite-Einheit SS oder der Polizei, sondern normale Soldaten.

Die Ausstellungs-Macher wollten aufräumen mit der Legende von Anstand und Würde des deutschen Soldaten, der mit den Greueltaten der SS nichts zu tun hatte. "Die Wehrmacht führte 1941 auf dem Balkan

und in der Sowjetunion keinen ,normalen Krieg', sondern einen Vernichtungskrieg gegen Juden, Kriegsgefangene und Zivilbevölkerung, dem Millionen zum Opfer fielen", heißt es in der Ausstellung.

Mit Privatfotos und Militärdokumenten belegen die Wissenschaftler ihre These, die Wehrmacht sei an den Naziverbrechen intensiver und bereitwilliger beteiligt gewesen als bisher angenommen. Sie

belegen dies an drei Beispielen: der Besetzung Serbiens, dem Vormarsch der 6. Armee durch die Ukraine und der Besetzung Weißrußlands.

Das Echo auf die Ausstellung war gewaltig · vergleichbar mit der öffentlichen Diskussion nach der Fernseh-Serie "Holocaust" 1979. Die Reaktionen reichten von Betroffenheit bis zu wütender Ablehnung.

In mehreren Städten demonstrierten rechte Gruppierungen gegen die "Schand-Ausstellung". In Saarbrücken verübten Unbekannte im März einen Sprengstoff-Anschlag gegen die Dokumentation.

Auch vier Jahre nach ihrer Eröffnung ist die Wehrmacht-Ausstellung Thema in den Leserbrief-Spalten der Zeitungen. Das deutsche Parlament in Bonn debattierte 1997 über die umstrittene Schau. Der

damalige konservative Verteidigungsminister Volker Rühe sagte, die Wehrmacht sei mit ihrer Spitze, mit einzelnen Truppenteilen und mit einzelnen Soldaten in Verbrechen des Nazi-Regimes verstrickt

gewesen.

Selbst diese vorsichtige Formulierung geht vielen zu weit. Die Kritiker der Wander-Ausstellung werfen den Organisatoren pauschale Verunglimpfungen der 18 Millionen Soldaten Nazideutschlands vor.

Viele frühere Militär-Angehörige fühlten sich persönlich diffamiert.

"Das hat die deutsche Wehrmacht so nicht verdient", schrieb ein Unbekannter in Hamburg ins Besucher-Buch der Ausstellung. Ein anderer hielt dagegen: "Ich bin Jahrgang '26. Als Heranwachsender mußte

ich in Frankreich ähnliche Dinge mitansehen. Noch heute stehe ich unter diesem Trauma."

Daß viele Augenzeugen die grausigen Bilder heute abwehren, ist in den Augen der Ausstellungs-Macher kein Zufall. Die Wehrmachtsführung habe die Verbrechen geheimgehalten und nachträglich vertuscht.

Nach dem Krieg habe eine Legenden-Bildung in Literatur und Medien ein Bild des Soldaten gezeichnet, der Opfer war, nicht aber Täter.

"Die Ausstellung will kein verspätetes und pauschales Urteil über eine ganze Generation ehemaliger Soldaten fällen", heißt es in der Dokumentation. Statt dessen solle eine Debatte eröffnet werden

über das · neben Auschwitz · barbarischste Kapitel der deutschen und österreichischen Geschichte.

Am 1. September geht die Ausstellung erneut auf Tournee. Noch liegen mehr als 50 Anfragen interessierter Städte vor · längst nicht mehr nur aus Deutschland und Österreich. Im Gespräch sind unter

anderem Rotterdam, Gdansk, Prag und Budapest. Eine englische Fassung der Ausstellung wird am 2. Dezember in New York eröffnet. Sie soll anschließend in weiteren Städten der USA und Kanadas gezeigt

werden.