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Die Welt ist in den vergangenen zehn Jahren nicht sicherer geworden. Aber die Furcht vor Terroranschlägen in Europa übertrifft die bestehende Gefahr bei weitem.
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Zehn Jahre liegen die Anschläge vom 11. September 2001 zurück. Anlässlich eines weltweiten Gedenkens an die Opfer gilt es jetzt Bilanz zu ziehen: Wie hat sich die Welt, wie hat sich Europa seitdem verändert? Wo erschöpfen sich die Mittel der Terroristen? Oder besser: Wohin wird uns die Sicherheitspolitik, die immer drastischere Ausmaße annimmt, in Zukunft führen?
Ganz gleich, wie solidarisch sich die Europäische Union mit den USA in der Bekämpfung des globalen Terrorismus bisher gezeigt hat, eines steht fest: Sicherer ist die Welt in den vergangenen zehn Jahren nicht geworden. Die Schwäche Europas, trotz zunehmend verschärfter Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen nicht gegen Attentäter gewappnet zu sein, wird deutlich, wenn man sich die Anschläge in Madrid und London oder das Massaker in Norwegen vor Augen führt.
Als die USA am 2. Mai den Tod Osama bin Ladens verkündeten und die Menschen von New York bis Los Angeles auf den Straßen tanzten, stand den europäischen Regierungschefs die Angst ins Gesicht geschrieben. Während die USA auf der anderen Seite des Atlantiks feierten, zitterte Europa vor der angeblich so nahen Gefahr des Islamismus. Und dabei übertrifft die Angst die bestehende Gefahr bei weitem. Der Optimismus der Amerikaner, doch noch das Gespenst "Terrorismus" einzufangen und zu bezwingen, wird von der Elite Europas eben nicht geteilt. Daran hat auch Bin Ladens Tod nichts geändert.
Truppenkontingente in Afghanistan und im Irak, Luftschutzabkommen und Zugeständnisse in der Datenüberwachung sind Entwicklungen, die Ausdruck jenes Bündnisses in Treue und Glauben sind, das Europa in einem Jahrzehnt mit den USA eingegangen ist. Gegner dieser Allianz wittern darin eher einen "Pakt mit dem Teufel". Und diese Position lässt sich durch die Debatte um die Einführung von Nacktscannern fast nachvollziehen. Selbst eine völlige Durchleuchtung des "gläsernen Menschen" wird die Welt keineswegs sicherer machen, solange ein Gefühl der Unsicherheit bestehen bleibt oder dadurch sogar verstärkt wird und uns verwundbarer macht.
Zu vermehrter Angst hat die mediale Berichterstattung nicht wenig beigetragen: Immer komplexer sollen demnach islamistische Netzwerke werden, immer größer die Gefahr, dass Terroristen sich biologische und chemische Waffen zunutze machen könnten.
Doch auch nach zehn Jahren will sich nicht jeder mit den Untersuchungsergebnissen zum 11. September 2001 zufrieden geben. Von den Medien als "Verschwörungstheoretiker" bezeichnet, bezweifeln viele, von höchsten Regierungskreisen Russlands bis hin zur einfachen arabischen Bevölkerung, dass sich die Terroranschläge tatsächlich so ereignet haben, wie Amerika es der Welt glaubhaft macht. Auch viele Amerikaner fordern eine tadellose Aufklärung der Ereignisse. Die Konjunktur der Angst wird jedenfalls nicht durch neue Erkenntnisse abstürzen - erst recht nicht in Europa.
Stefan Haderer ist Kulturanthropologe und Politikwissenschafter.
Stefan Haderer ist Kulturanthropologe und Politikwissenschafter.