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96 Prozent der Einbrüche ungeklärt: Polizei sieht sich einer Flut gegenüber

Von Bernhard Baumgartner

Analysen

Die Zahlen schockieren, decken sich aber mit der Wahrnehmung der Lebensrealität vieler Wienerinnen und Wiener: Noch nie in den vergangenen zehn Jahren wurde so viel eingebrochen wie 2009: 11.640 Einbrüche, bei Einfamilienhäusern gab es gar eine Steigerung zum Vorjahr von 56 Prozent. Beschämend, wenn nicht sogar desaströs ist die Aufklärungsquote: Bei Wohnungseinbrüchen lag sie 2009 bei 3,7 Prozent. Von den Hauseinbrüchen wurde nur jeder 20. Fall geklärt. Sprich: Wenn ein Fall aufgeklärt wird, ist das wohl eher "Kommissar Zufall" als akribischer Ermittlungsarbeit zuzuschreiben.


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Betroffenen ist auch sonnenklar warum: Ein Einbruch ist für viele Kriminalbeamte mittlerweile nichts anderes als ein lästiger Zehn-Minuten-Akt. Der Schaden wird flüchtig angesehen, dann zieht man wieder ab. Eine Spurensicherung findet so gut wie nicht statt, nicht einmal die unmittelbaren Nachbarn werden befragt, ob sie etwas gesehen haben, berichten Betroffene. In einem Fall waren sogar Fußspuren vorhanden, diese wurden von den "Ermittlern" nicht einmal fotografiert. In einem anderen Fall wartet ein Betroffener bereits vier Monaten auf eine Bestätigung für seine Versicherung.

Wenn Polizeipräsident Gerhard Pürstl nun sagt, er wolle "die Tatortarbeit intensivieren", ist das ein erster Schritt der Erkenntnis. Nur dass intensivieren in diesem Fall wohl nicht reichen wird. Tatsache ist, und das ergibt sich zwingend aus den Zahlen: Die Polizei steht der Flut an Delikten zusehends machtlos gegenüber. Aktionen eher kosmetischer Natur wie die Gründung neuer Sonderkommissionen haben offensichtlich auch nicht geholfen. Aber warum?

Dass die Polizei zu wenig Personal hat, ist ein augenscheinliches Faktum. 5349 Beamte waren im vergangenen Jahr im Dienst. Bis 2013 sollen jährlich 450 Polizeischüler in der Bundeshauptstadt aufgenommen werden. Laut Prognose bis 2015 werden dann 6700 Beamte ihren Dienst in Wien verrichten. Doch nur ein Bruchteil der Polizisten werden auch Kriminalbeamte, insofern ist fraglich, ob diese Aufstockung bei weiterhin explodierender Kriminalität überhaupt einen Effekt hat.

Auch dass der Wechsel von Post-Beamten in den administrativen Dienst der Polizei (die damit Polizisten entlasten) bisher eher kläglich verlaufen ist, ist wenig ermutigend. Immerhin waren 1000 neue Stellen geplant, tatsächlich gewechselt sind jedoch nur 88. Die Hälfte der Bewerber war zudem laut Polizei für den Dienst nicht tauglich.

Dass die Polizei nun kritisiert, dass nur jeder zehnte Wohnraum eine Alarmanlage hat (und nur jede zweite verwendet wird) ist legitim, geht aber am Problem vorbei: Bisher war eine solche einfach nicht notwendig. Und wäre die Polizei ein echtes Hindernis für die Kriminellen, Einbrüche also nicht weitgehend folgenlos, müsste man darüber nicht diskutieren.

Siehe auch:Wiener Polizei am Prüfstand