Wurde der Bevölkerung noch Anfang Juli ein "Sommer wie früher" geschenkt, so ruderte die Politik mit der neuerlichen Anpassung der Covid-19-Öffnungsverordnung wieder zurück - die Öffnungen waren zu umfangreich.
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Bei der Auswahl dieses Titels "A Schritt vire (zwa Schritt zruck)" wollen wir nicht auf das Copyright von Dr. Kurt Ostbahn vergessen, der solcherart den schönen Bruce-Springsteen-Song coverte. Woher allerdings kommt dieser Eindruck, dass die Politik mit der ursprünglich nicht geplanten, neuerlichen Anpassung der Covid-19-Öffnungsverordnung wieder zurückruderte?
Gerade erst hatten wir uns mit der (vermeintlich) für Juli und August geltenden Covid-19-Öffnungsverordnung befasst und die dennoch hohe Zahl der darin enthaltenen Reglementierungen aufgezeigt. Und jetzt kommt - unverhofft - alles anders: Wurde der Bevölkerung noch Anfang Juli von der Politik ein "Sommer wie früher" geschenkt, so lautet das Kommando nun seit 22. Juli zumindest teilweise: "Kehrt euch - retour"!
Wie konnte es so schnell dazu kommen? Nach Meinung vieler Experten - der ich mich anschließe - erfolgten die ersten Öffnungen zum 19. Mai noch mit Augenmaß, jene mit 1. Juli jedoch weit zu umfangreich: Verzicht auf die sicherere FFP2-Maske, Veranstaltungen ohne Besucherlimits und ohne Mindestabstände, Öffnung der sogenannten, bekanntermaßen extrem "körpernahen" Nachtgastronomie (Clubs mit Gastronomie und Publikumstanz) ohne wesentliche Regularien: Denn die bis 21. Juli geltende 75-Prozent-Maximalkapazitätsbestimmung war bei diesem Kundensegment, das am wenigsten durchgeimpft ist, Schimäre. Zudem das Fallenlassen aller sonstigen Bestimmungen über Personendichten zum Beispiel im Handel, das geplante, generelle Kappen der Personenregistrierungspflicht, die Anerkennung von Ad-hoc-Selbsttests vor Ort. All das war in Kenntnis der anrollenden Delta-Variante des Coronavirus mehr als riskant.
Man konnte sich des Eindrucks schwer erwehren, dass es sich bei dieser überstürzten Öffnung um eine Kompensation für in diesem Umfang übertriebene Lockdowns der Vergangenheit handelte.
Nicht-Rechtsbegriff der "Nachgastronomie"
Was änderte sich nun mit 22. Juli teilweise anders als ursprünglich geplant?
Die Maskenpflicht im Handel fällt teilweise (nicht zum Beispiel im Lebensmitteleinzelhandel oder in Apotheken), wobei auch keine Abstandsregel mehr gilt.
Gäste der Nachtgastronomie müssen geimpft oder PCR-getestet sein, die anderen 3G-Möglichkeiten gelten hier nicht mehr. Wobei, einer langen Tradition der Covid-19-Verordnungen folgend, der Nicht-Rechtsbegriff der "Nachgastronomie" nicht hinreichend definiert wird.
Klargestellt wurde nachträglich nur noch, dass dieser Tatbestand nicht im Falle von Zusammenkünften (wie Zeltfesten) gelte, was wiederum viele Zweifelsfragen aufwirft, etwa, wenn in einem Club der Veranstalter der Darbietung (wie eines DJ-Konzertes) nicht ident mit dem Gastronomen ist. Das könnte daran liegen, dass die Autoren dieser Verordnungen mit dem Veranstaltungs-, aber auch dem Gewerberecht nicht hinreichend vertraut und daher offensichtlich nicht in der Lage sind, solche fundamentalen Fragestellungen zu berücksichtigen. Die Beiziehung weiterer Experten wäre daher durchaus zu empfehlen. Durch die "zwa Schritt zruck" stieg die Anzahl der Reglementierungen durch die Covid-19-Verordnung noch bedeutend an, wir liefern hier das Update, ohne alles im Detail wiederholen zu wollen:
Präventionskonzept/Covid-19-Beauftragter: Ist in 16 Fällen vorgeschrieben.
3G-Kontrollen: Übrigens, von wegen "3": Das sind insgesamt 10 verschiedene Varianten mit jeweils ganz unterschiedlichen Geltungsdauern, vom Ad-hoc-Selbsttest unter Aufsicht bis hin zur vollständigen Impfung. Einfach nachzuvollziehen im Falle der vorgeschriebenen Kontrollen, und das sind, zählt man alle Varianten extra, immerhin 16 Tatbestände. Oder?
Personenregistrierung: Diese bleibt uns also doch erhalten; die Bundesregierung folgt daher dem erst arg gescholtenen vorsichtigen Wiener Weg. In 9 Fällen werden wir uns weiterhin daran gewöhnen müssen:
§ 5 (Gastgewerbe)
§ 6 (Beherbergung)
§ 7 (nicht öffentliche Sportstätte)
§ 8 (nicht öffentliche Freizeiteinrichtung)
§ 12 (Zusammenkunft)
§ 13 (Jugendarbeit, -lager)
§ 14 (Zusammenkünfte im Spitzensport)
§ 15 (Fach- und Publikumsmesse)
§ 16 (Gelegenheitsmarkt)
Maskenpflicht in 13 Fällen, davon ein Mal FFP2-Maske (§ 9 Abs. 3, Arbeitsorte).
In Summe kommen wir damit auf 38 Reglementierungen in einer Verordnung mit 23 Paragraphen; oder, für die Statistiker unter den geschätzten Leserinnen und Lesern: schlanke 1,6 pro §.
Im neu gefassten § 8 Abs. 5 heißt es nun: "Für Kultureinrichtungen, in denen überwiegend Zusammenkünfte stattfinden, wie insbesondere Theater, Kinos, Varietees, Kabaretts, Konzertsäle- und -arenen, gelten Abs. 2 und 4" (des § 8; also der 3G-Nachweis sowie Präventionskonzept und -Beauftragter).
Ausstellungseröffnung als Prototyp einer Veranstaltung
Als Kultureinrichtungen, die nichtüberwiegend diesem Zweck dienen, führt das Ministerium in seinen Erläuterungen Bibliotheken und Archive an, die also ohne Weiteres betreten werden können. So weit, so gut. Als weiteres Beispiel werden allerdings "Vernissagen in Kunsthallen" angeführt; solche Ausstellungseröffnungen sind allerdings - ebenso wie die Ausstellung selbst - ein Prototyp einer Veranstaltung (Zusammenkunft). Das Beispiel hätte man besser bleiben lassen.
Auch eine Ausstellung oder ein Museum führen zu einer Darbietung - also einer Zusammenkunft, wenngleich die Besucher sich hier auf Zeiträume verteilen - aber das soll es auch bei Konzerten geben. Übrigens: Die religiösen Andachtsstätten als "Betriebsstätten" sind in der neuen Fassung verschwunden. Der liebe Gott wird’s dankend zur Kenntnis nehmen.
Ein kleiner Tipp noch an das leider unbekannte Redaktionsteam der Verordnung: Dass die 3G-Nachweise jeweils bereitzuhalten sind, könnte man im § 1 allgemein ein für allemal festhalten; es müsste nicht in jedem Tatbestand wiederholt werden.
§ 6 Abs. 2, wonach der Beherberger Gäste beim erstmaligen Betreten nur einlassen darf, wenn diese einen 3G-Nachweis präsentieren, ist zumindest grob irreführend formuliert; sollte der Nachweis während des Aufenthalts des Gastes ablaufen, ist wohl nochmals zu kontrollieren - oder?
Die Aufzählung der Freizeiteinrichtungen in § 8 könnte sinnvoll erweitert werden, etwa um Fremdenführer, Reisebetreuer, Solarien und Fitnessbetriebe (davon soll es dem Vernehmen nach mehr geben als Museumsbahnen); hier gab es in der Vergangenheit immer wieder Falschzuordnungen, auch seitens des Ministeriums selbst.
Ein klares Übergangsrecht fehlt
Was in der Verordnung dringendst fehlt, ist ein klares Übergangsrecht. Es sind Fälle bekannt, in denen ein Event etwa Ende August stattfinden soll, der Veranstalter zeigt es Mitte Juli an (Planungssicherheit!) und bekommt von der Behörde die Auskunft, die Anzeige könne nicht behandelt werden, da die geltende Covid-19-Verordnung demnächst auslaufe (die Verordnungen laufen ja kraft gesetzlicher Vorgabe in Teilen alle drei Wochen aus). Besonders witzig, wenn etwa das Veranstaltungsgesetz eine Anmeldung zumindest acht Wochen im Voraus vorschreibt und die Veranstaltungsbehörde die Anmeldung mangels gesundheitsrechtlicher Genehmigung nicht bestätigen möchte. Das kann es nicht sein, das ist Rechtsverweigerung.
Und noch eine unverhältnismäßige Bestimmung: Laut § 19 Abs. 1 Z 4 gilt die ganze Verordnung nicht für "Zusammenkünfte zur Religionausübung". Da stellen sich Fragen: Wenn eine einzelne Person zur stillen Andacht eine religiöse Stätte betritt, gilt die Verordnung schon? Welcher Paragraph diesfalls? Trifft sich der/diejenige mit einer zweiten Person zur gemeinsamen, stillen Andacht - haben wir dann eine Zusammenkunft? Denn eine Bagatellgrenze nach unten zu gibt es hier ja nicht, im § 12.
Das ist eine weitere, überaus spannende Frage, ein neues Sommerrätsel! Lösungsvorschläge sehr gerne wieder erbeten an den Autor: klaus.voegl@gmail.com. Und gleich noch eine Bitte: § 12 Abs. 5 Z 8, das ist die Autokino-Bestimmung: Kann bitte jemand einen Konzertsaal in Österreich benennen, der von den Besuchern mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen befahren wird?
Also: Viele Fragen über den Sommer. Eine leichte Strandlektüre bleiben die Covid-19-Verordnungen wohl nicht.
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