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A Zigeina mecht i sei

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

2005 haben acht osteuropäische Länder in Sofia "das Jahrzehnt der Roma-Integration" beschlossen. Ziel war es, die bittere Armut der Roma zu beseitigen. Fünf Jahre später ist wenig passiert, das Ziel zu erreichen. Frankreich rennt überhaupt in die andere Richtung.


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Das Beispiel zeigt: Europa kann mit den Roma schlecht umgehen. Die fahrenden Roma sind von den nationalen Sozial- und Bildungssystemen nicht zu erfassen, eine Lösung dafür gibt es bisher nicht. Der Versuch, Roma in meist abgewohnten Wohnsilos zur Sesshaftigkeit zu bewegen, muss scheitern. In solchen Lager-ähnlichen Siedlungen gibt es weder Schulen noch Arbeitsstätten, das führt nur zu einer Ghettoisierung der größten ethnischen Minderheit Europas.

Ihr Beispiel zeigt Grenzen der Integration. Roma und Sinti (Zigeuner darf man ja nicht mehr sagen) gehören zu Europa - auch wenn die Welt westlich des Eisernen Vorhangs bis 1990 wenig davon merkte. Diese Menschen haben einen anderen Lebensentwurf. Die Frage ist nun: Soll den Roma der "Schaffe, schaffe, Häusle baue"-Geist aufgezwungen werden? Bedeutet Integration Gleichmacherei?

Oder genügt es, dass sie sich an Gesetze zu halten haben, aber sonst ihre Kultur weiterhin leben können? Die Versuche, Roma ins Korsett zu drängen, sind ohnehin großteils gescheitert. Im Burgenland ist es - nach dem Schockerlebnis des Attentats von Oberwart - einigermaßen gelungen, aber dort betrifft es nicht so viele Menschen.

Roma haben ein Recht darauf, ihr Leben zu führen, so wie sie es möchten. Integration darf nicht in ein Monopol des Konformismus münden, denn Integration lebt von der Koexistenz unterschiedlicher Lebensentwürfe.

Damit kann Europa schlecht umgehen, obwohl es jene Mobilität fördert, die von vielen Roma gelebt wird. Von den Roma wird eine Anpassungsleistung verlangt, aber umgekehrt schaut es mit dem Verständnis nicht so toll aus. Die meisten Europäer wollen nicht, dass Roma in Armut leben, aber kaum jemand will sie in der Nachbarschaft haben.

Vielleicht, weil wir auch mit Eifersucht auf diesen Freiheitsbegriff blicken. André Heller hat diesen heimlichen Neid wunderbar besungen: "I wüü fuat, ganz weit fuat, lassts mi anglehnt in mein Lebn! A Zigeina, a Zigeina mecht i sein."