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Österreichs Parteien haben sich am Freitag redlich bemüht, dem p.t. Publikum im Plenum und zu Hause vor den Bildschirmen eine gute Show zu bieten. Florettfechter suchte man zwar weitgehend vergeblich, aber auch ein Redner-Duell mit Säbeln kann entzücken, wenn die Hiebe gut platziert, die Attacke mit Timing und die Konterattacke postwendend und mit Verve vorgetragen wird. Aber auch talentierte Säbelfechter sind unter Österreichs Parlamentariern leider dünn gesät. Das herrschende Listenwahlrecht, das auf rednerische Begabungen keinen Wert legt, rächt sich hier brutal.
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Die Bürger sollten sich jedoch nicht vorschnell täuschen lassen: Die kommenden Wochen und Monate bis zum Wahltag am 1. Oktober dienen den Parteien, wie bereits die Generalabrechnung am Freitag, einzig und allein der Ab- und Ausgrenzung. Ab dem Tag danach wird ein ganz neues Spiel gespielt werden.
Und das verspricht spannender denn je zu werden. Alle diejenigen, die schon heute die Unausweichlichkeit einer großen Koalition propagieren, unterschätzen die wechselseitige Abneigung, die ÖVP und SPÖ in den letzten Jahren gegeneinander aufgebaut haben.
Ehe sich Wolfgang Schüssel oder Alfred Gusenbauer beziehungsweise ihre jeweiligen Nachfolger an der Parteispitze im Falle einer Niederlage in ein solches Schicksal ergeben, werden beide fieberhaft nach jeder auch nur annähernd möglichen Alternative suchen. Das deutsche Beispiel räumt übrigens gerade mit dem auch in Österreich verbreiteten Mythos auf, dass große Koalitionen große Herausforderungen zu meistern imstande sind. In der Regel gilt das Gegenteil.
Und dass sich keiner täusche: Der politischen Kreativität sind angesichts eines Nationalrats, der vielleicht sogar sechs Fraktionen beherbergt, praktisch keine Grenzen gesetzt. Nur, weil es die eine oder andere Konstellation in Österreich zuvor noch nie gegeben hat, heißt das lange nicht, dass man sie nicht trotzdem einmal ausprobieren kann. Das geht bis hin zur Variante einer Minderheitsregierung, die sich je nach Sachfrage ihre Mehrheiten selbst suchen muss.
Wie sehr dabei vermeintliche Tabus unter Druck geraten, zeigt wiederum ein Blick nach Deutschland. Dort überlegen nun Grüne und FDP, ob ihr kategorisches Nein zu einer gemeinsamen Regierungsbeteiligung der politischen Weisheit letzter Schluss sein kann. Diese Festlegung hat nämlich erst die große Koalition von Union und SPD erzwungen, deren Reformkraft schon jetzt an ihre Grenzen stößt.
Für Österreich kann für die Zeit nach den kommenden Wahlen deshalb nur eines ausgeschlossen werden: Eine Rückkehr der FPÖ auf die Regierungsbank. Nicht, weil am Ende moralische Bedenken gegen die Partei die Oberhand gewinnen würden, sondern einzig und allein deshalb, weil die Strache-FPÖ von der Sehnsucht nach Regierungsverantwortung auf absehbare Zeit geheilt ist. Für alle anderen Optionen gilt das Lotto-Motto: Alles ist möglich.