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"Ab Ende Juli wird es eng für Doha"

Von Harald Waiglein

Politik

Minister im WZ-Interview: Vier Schlüsselspieler müssen sich bewegen. | Wien. Ab heute, Donnerstag, versuchen Vertreter der Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf, Bewegung in die stockende Doha-Runde zu bringen. Für viele Beobachter gilt ein Erfolg der Runde als fraglich, weil sich EU, USA und Entwicklungsländer nicht auf weitere Handelsliberalisierungen im Agrarbereich und bei Industriegütern einigen konnten.


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Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, der in Genf den letzten EU-Ministerrat unter österreichischer Ratspräsidentschaft leiten wird, gibt sich im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" optimistisch: "Es wird ein Ergebnis geben." Je ambitionierter dieses sei, desto besser. Allerdings sei offen, ob dieses Ergebnis bereits beim Treffen in Genf, das bis Sonntag dauern wird, erzielt werden könne oder erst bei einem Treffen Ende Juli. Gibt es bis dahin keine Grundsatzeinigung "wird es eng".

Voraussetzung für einen Abschluss der Doha-Runde ist laut Bartenstein allerdings, dass sich die vier Schlüsselspieler EU, USA, Indien und Brasilien in den Schlüsselbereichen Industriezölle, Marktzugang für Agrargüter und interne Stützungen in der Landwirtschaft bewegen.

"Wiener Zeitung": Herr Minister, mit welchem Gefühl fahren Sie nach Genf? Nach dem WTO-Gipfel in Hongkong im Dezember haben sie gesagt, die Doha-Runde sei erst zu 50 Prozent geschafft. Gibt es seither Fortschritte?Martin Bartenstein: Nur bei der Stimmung, nicht in der Substanz. Es ist Europa gelungen, nicht mehr alleine als Blockierer dazustehen. Auch die USA oder Länder wie Indien und Brasilien stehen nun unter Druck, sich bei Agrarförderungen und Industriezöllen zu bewegen.

Ist Genf die letzte Chance für die Doha-Runde?

Wenn es bis Ende Juli keine politische Einigung gibt, wird es im Hinblick auf den US-Kongress eng. Die "Trade Promotion Authority" (eine Ermächtigung zu einem vereinfachten Beschlussverfahren für Handelsabkommen, Anm.) von US-Präsident Bush läuft im Juli 2007 ab. Wenn es heuer im Sommer keine Grundsatzeinigung gibt, ist es praktisch unmöglich, zeitgerecht detaillierte Verträge für die Beschlussfassung auszuarbeiten.

Für Bill Clinton wurde im Rahmen der Uruguay-Runde die "Trade Promotion Authority" verlängert.

Aber heute stehen in den USA Wirtschaft und Landwirtschaft Liberalisierungen skeptischer gegenüber. Eine Verlängerung wäre möglich, wenn beide Lobbies Druck auf den Kongress ausüben würden. Dafür sind sie aber derzeit nicht zu haben.

Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass die Doha-Runde noch abgeschlossen wird?

Ich glaube, es wird ein Ergebnis geben. Je ambitionierter es ausfällt, desto besser. Ich schließe nicht aus, dass wir das bis Sonntag in Genf schaffen. Es könnte aber auch sein, dass wir noch ein Gipfeltreffen im Juli brauchen. Abschließende Entscheidungen sind wohl auch wenn ich am heutigen Donnerstag in Genf die letzte Ministertagung der österreichischen Ratspräsidentschaft leiten werde erst unter finnischem Ratsvorsitz zu erwarten; entweder Anfang oder Ende Juli.

Es gibt Gerüchte, wonach die EU-Kommission bereit ist, in Genf weitere Zugeständnisse bei der Senkung von Agrarzöllen zu machen. Die Rede ist von einer Senkung um 50 statt um 39 Prozent. Ist das realistisch?

Für die Kommission gilt nach wie vor jenes Verhandlungsmandat, dass vor dem WTO-Gipfel von Seattle im Jahr 1999 beschlossen wurde. Ich bin nicht bereit, Schiedsrichter im Streit darüber zu spielen, ob Handelskommissar Peter Mandelson und Agrarkommissarin Mariann Fischer-Boel die Grenzen jenes Mandates bereits erreicht oder noch nicht erreicht haben.

In diesem Mandat gibt es keine zahlenmäßige Begrenzung für Zollsenkungen.

Genau darum geht es. Das Mandat wird in Paris und von den Landwirtschaftsverbänden anders interpretiert und berechnet als von der Kommission. Aber eines ist klar: Voraussetzung für ein Ergebnis ist Bewegung in den drei Schlüsselbereichen Industriezölle, Marktzugang für Agrarprodukte und interne Stützungen in der Landwirtschaft, und zwar durch die vier Schlüsselspieler Indien, Brasilien, die USA und die EU.

Stichwort: WTO-Treffen in Genf

Von Donnerstag, den 29. Juni bis Sonntag, den 2. Juli werden Vertreter von etwa 60 der 150 Mitgliedsstaaten der WTO in Genf erwartet. Sie werden über weitere Liberalisierungen des Welthandels im Rahmen der 2001 in der Hauptstadt von Katar, Doha, begonnenen Verhandlungsrunde beraten. Die Runde sollte eigentlich bereits abgeschlossen sein.