Zum Hauptinhalt springen

"Ab nun eher in kleineren Schritten"

Von Stefan Janny

Reflexionen

Volumen der Güterbeförderung geht stark zurück. | "Privatisierung der Rail Cargo derzeit nicht aktuell." | "Wiener Zeitung": Das vergangene Jahr ist für die ÖBB nicht gut gelaufen. | Peter Klugar: Man muss das abgelaufene Jahr sehr differenziert sehen. Die ersten drei Quartale haben im Verkehr eine durchaus positive Entwicklung gezeigt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wir haben mehr Reisende und mehr Güter transportiert und sind sehr knapp an die 100-Millionen-Tonnen-Marke herangekommen. Dann hat sich die Wirtschaftskrise mit zwei Effekten massiv ausgewirkt: Erstens gab es im vierten Quartal gravierende Einbrüche beim Güterverkehr, die größenordnungsmäßig 20 Prozent betragen haben. Und die Wirtschaftskrise hat dann zweitens dazu geführt, dass wir in der Bilanz einige Dinge bereinigen mussten, die mit den Finanzgeschäften der Vergangenheit zu tun hatten.

"Einige Dinge bereinigen" ist eine sehr wohlwollende Umschreibung für nahezu eine Milliarde Euro an Spekulationsverlusten.

Ich möchte nichts beschönigen, aber bislang sind es noch keine Verluste, sondern Rückstellungen. Bekanntermaßen führen wir in diesem Zusammenhang einen Prozess gegen die Deutsche Bank.. .

Der in erster Instanz allerdings verloren wurde.. .

Der in erster Instanz zwar verloren wurde, wo es in den nächsten Instanzen aber durchaus intakte Chancen gibt. Aber wir mussten aufgrund der Bilanzierungsregeln auch Wertberichtigungen auf Anlagen vornehmen, insbesondere im Güterverkehr, was keinerlei Zusammenhang mit den Finanzgeschäften hat.

Aber auch ohne die enormen Belastungen aus den Finanzgeschäften wäre unter dem Strich in der Bilanz ein Minus gestanden.

Nein, das operative Ergebnis war mit 51 Millionen im Plus. Das ist zwar weniger als in den Jahren davor, hat aber unter anderem mit dem im letzten Quartal schwächeren Ergebnis im Güterverkehr zu tun.

Täusche ich mich, oder war der letztjährige Bilanzverlust der ÖBB der höchste Verlust, den je ein verstaatlichtes Unternehmen in Österreich verzeichnen musste?

Das habe ich so nicht nachvollzogen, aber es ist sicher ein unerfreuliches finanzielles Ergebnis. Allerdings sind es im Wesentlichen Rückstellungen und Abwertungen des Anlagevermögens, wo sich in den nächsten Jahren durchaus auch wieder positive Veränderungen ergeben können: Ein Lokomotivpark, den man jetzt abgewertet hat, weil man die Entwicklung im Güterverkehr etwas vorsichtiger einschätzt, kann in einigen Jahren durchaus vielleicht wieder aufgewertet werden. Ich glaube, das ist ein großer Unterschied, wenn man das mit anderen Unternehmen vergleicht.

Und wie läuft das Geschäft derzeit?

Wenn wir das laufende Jahr betrachten, ist der Rückgang im Güterverkehr mit den erwähnten 20 Prozent auch derzeit noch spürbar und wir gehen in unseren Planungen davon aus, dass das auch über die nächsten Monate so bleiben wird.

Vor wenigen Wochen haben Sie den für 2009 erwarteten Rückgang im Güterbeförderungsvolumen allerdings noch mit 15 Prozent beziffert. Heißt das, die Situation hat sich weiter zugespitzt?

Nein. Da muss ich sehr exakt formulieren: Die minus 20 Prozent sind unsere aktuelle Annahme in der Produktionsplanung für den Güterverkehr. Wir gehen zwar davon aus, dass sich das über die nächsten Monate so fortsetzen wird, rechnen aber andererseits schon damit, dass es irgendwann auch wieder zu einer zumindest leichten Erholung kommen wird.

Als Logistikunternehmen sind die ÖBB ein besonders guter und zeitnaher Konjunkturindikator, da sich der Beginn eines Aufschwungs unmittelbar in den Frachtvolumina niederschlägt. Wann rechnen Sie damit, dass der Tiefpunkt der Rezession erreicht sein könnte?

Es gibt in der Logistikbranche derzeit bereits Leute, die sehr eng mit den Kunden zusammenarbeiten und meinen, dass bereits ein zartes Licht am Ende des Tunnels zu sehen sei. Ich bin da ein bisschen vorsichtiger. Wir rechnen damit, dass sich der gegenwärtige Trend doch noch mehrere Monate fortsetzen wird. Wir unternehmen gegenwärtig allerdings massive Anstrengungen, um in dieser Situation - vor allem auch in Zusammenarbeit mit unserer ungarischen Beteiligung MAV Cargo - Marktanteile zu gewinnen.

Ergeben sich aus der aktuellen Wirtschaftskrise nennenswerte Veränderungen für die mittelfristige Planung der ÖBB?

Für die grundlegende Strategie muss man natürlich immer die Marktsituation betrachten. Den Güterverkehr betreffend ist die Rail Cargo eine große, international aufgestellte Güterbahn, die einige Allianzen eingegangen ist. Und es zeigt sich auch jetzt in der Krise, dass diese Strategie sinnvoll ist und daher auch in der Zukunft fortgesetzt wird. Ein weiterer ganz wesentlicher strategischer Punkt ist, dass die Bahn ein sehr gutes, umweltfreundliches Produkt hat.

Stichwort Internationalisierung: Planen Sie weitere Akquisitionen im Ausland?

Ich glaube, man wird auch in Zukunft Partnerschaften im Ausland eingehen. Wir haben im vorigen Jahr beispielsweise eine kleine italienische Güterbahn gekauft und wir diskutieren mit deutschen und italienischen Partnern derzeit eine Kooperation im Personenverkehr über den Brenner. Eine so große Akquisition wie MAV Cargo ist derzeit allerdings nicht absehbar.

Insofern hat die Wirtschaftskrise den Effekt, dass Sie vorsichtiger geworden sind?

Die Entscheidungen der Vergangenheit, die Rail Cargo Austria zu internationalisieren, waren richtig. Ich bin aber der Ansicht, dass die Entwicklung in den nächsten Jahren eher in kleineren Schritten als in großen Sprüngen erfolgen wird.

Rail-Cargo-Chef Friedrich Macher hat kürzlich betont, dass es sein Ziel ist, das Unternehmen in zwei, drei Jahren privatisierungsfähig gemacht zu haben. Wie könnte eine solche Teilprivatisierung am besten erfolgen: über die Börse oder durch Hereinnahme eines Partners?

Ich glaube, dass Kollege Macher das nicht ganz so gesagt hat. Persönlich bin ich allerdings der Ansicht, dass Fragen der Aktionärsstruktur ausschließlich eine Angelegenheit des Eigentümers sind. Und unser Eigentümer hat sich diesbezüglich ganz eindeutig geäußert, dass er in nächster Zeit nicht an die Privatisierung von ÖBB-Gesellschaften denkt. Unsere Aufgabe als Management ist es, alle Gesellschaften, sowohl den Güterverkehr als auch den Personenverkehr, noch konkurrenzfähiger zu machen.

Aber zeigt nicht das Beispiel jener verstaatlichten Unternehmen, die ganz oder teilweise privatisiert wurden, dass dies eine professionellere Managementkultur, höhere Profitabilität und gesteigerte Effizienz gebracht haben?

Das sind Betrachtungen und Interpretationen, auf die ich mich nicht einlassen möchte. Meine Aufgabe ist es, die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens zu steigern und nicht über Eigentümerentscheidungen zu spekulieren.

Hätten Sie etwas gegen eine teilweise Privatisierung von Rail Cargo einzuwenden?

Nochmal: Das Thema ist derzeit nicht aktuell. Wichtig ist die Konkurrenzfähigkeit, wichtig sind Allianzen, da gibt es eine große Palette an Aufgaben. Die Privatisierungsfrage wird zum gegebenen Zeitpunkt vom Eigentümer entschieden.

Gibt es einen grundsätzlichen Unterschied in den Managementherausforderungen zwischen einem privaten und einem verstaatlichten Unternehmen?

Da beide dem Aktiengesetz unterliegen, gibt es keinen grundsätzlichen Unterschied, aber es gibt natürlich Unterschiede. Bei einem Unternehmen wie den ÖBB fungiert die öffentliche Hand beispielsweise nicht nur als Eigentümer sondern über das Verkehrsministerium und über die Bundesländer auch als Kunde. Das erzeugt natürlich eine ganz spezielle Konstellation zwischen dem Unternehmen und diesem Kunden. Ich glaube auch, dass bei einem Unternehmen wie den ÖBB von der Öffentlichkeit viele Dinge kritischer wahrgenommen und kommentiert werden als bei anderen Unternehmen. Und das ist sicherlich eine besondere Herausforderung.

Heißt das, dass man als Chef der ÖBB möglicherweise konsensorientierter agieren muss als Manager in anderen Unternehmen?

Konsensorientierter glaube ich nicht, aber es ist ein großer Unterschied, dass sehr viele Interna automatisch in der Öffentlichkeit stehen.

Viele Manager in verstaatlichten oder staatsnahen Unternehmen beklagen zumindest hinter vorgehaltener Hand den Einfluss der Politik auf Unternehmensentscheidungen.

Meine Erfahrung ist, dass der Eigentümer - und das gilt für jedes Unternehmen, wo es einen eindeutigen Eigentümer gibt - eine gewisse Stärke und damit natürlich auch Einfluss hat. Das ist aus meiner Sicht auch durchaus richtig. Aber das Verhältnis zwischen Eigentümer und Unternehmen muss in den dafür gesellschaftsrechtlich vorgesehenen Bahnen über die zu ständigen Organe verlaufen.

Wann wird der erste Zug durch den Brennerbasistunnel fahren?

Es werden noch einige Jahre vergehen. Das ist ein Projekt, das sicherlich im hohen Maße im Interesse der österreichischen Verkehrspolitik liegt, hier eine umweltfreundliche Verbindung zwischen dem deutschen und dem italienischen Markt zu schaffen. Da werden wir als Unternehmen natürlich sagen, ja, natürlich macht es Sinn, wenn gewisse Rahmenbedingungen auch gegeben sind, und wenn die Finanzierung entsprechend abgesichert ist. Allein betriebswirtschaftlich betrachten kann man so etwas nie. Aber das ist auch ein Projekt für wahrscheinlich mehrere hundert Jahre.

Bis zu welcher Distanz benutzen Sie persönlich die Bahn und ab welcher Entfernung das Flugzeug?

Das ist eine gute Frage. Wenn ich nach Innsbruck fahre, dann benutze ich - außer, wenn eine Besprechung terminlich sehr ungünstig stattfindet - den Zug.

Zur PersonPeter Klugar wurde am 21. April 1949 in der Steiermark geboren und studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Graz. Seine berufliche Karriere begann Klugar in der Bauwirtschaft. Er wechselte dann 1978 zu den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), wo er bis 1984 in der bautechnischen Verkehrsplanung tätig war. Von 1988 bis 1991 gehörte Klugar dem Kabinett von Verkehrsminister Rudolf Streicher an, kehrte anschließend wieder zu den ÖBB zurück, wo er vorerst die Leitung des Straßentransportdienstes und ab 1995 des Geschäftsbereichs Netz übernahm. 1995 wurde ihm die Prokura erteilt. Von 1999 fungierte er als Geschäftsführer der Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesellschaft. 2004 wurde er zum Vorstandsmitglied der ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG ernannt, 2007 rückte er in den Vorstand der ÖBB-Holding AG auf, wo er seit 2008 als Vorstandssprecher fungiert.