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Abarbeitung der Wunschliste

Von Matthias Nagl

Politik

Linzer Medizin-Uni wird umgesetzt, Innsbrucker Uni-Fusion eher nicht.


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Linz. Vizekanzler Michael Spindelegger ist nicht das Christkind, das hat sich mittlerweile herumgesprochen. Das heißt freilich nicht, dass die Bundesregierung für diverse Wünsche nicht empfänglich wäre. Bei ihrer ersten Klausur finalisierte die neue Regierung dann auch eine Wunscherfüllung der alten. Denn ab Herbst 2014 hat Österreich mit der medizinischen Fakultät an der Uni Linz erstmals seit zehn Jahren wieder eine solche Fakultät - neben drei öffentlichen (Wien, Graz, Innsbruck) und zwei privaten Medizin-Unis (Salzburg, Krems).

Durch eine 15a-Vereinbarung mit dem Land Oberösterreich beschloss die Bundesregierung in dieser Woche die Voraussetzungen dafür. Die Ausbildung soll schon im Herbst 2014 starten. Allerdings nicht in Linz, sondern an der Medizin-Uni Graz, mit der die Linzer Fakultät eng kooperieren wird. Der tatsächliche Start in Linz ist für 2016 vorgesehen. Für den neuen Wissenschafts- und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner ist das "eine Weichenstellung für die Weiterentwicklung des gesamten tertiären Sektors".

Ohne Töchterle wohl

keine Fusion in Innsbruck

Somit hatte der Oberösterreicher für seine Heimat kurz nach Amtsantritt eine Erfolgsmeldung parat, die auf seinen Vorgänger, Karlheinz Töchterle, zurückgeht. Er hat mit einer Änderung des Universitätsgesetzes die Voraussetzungen dafür geschaffen.

Ursprünglich waren 2004 mit diesem Gesetz die Medizin-Fakultäten aus ihren Stammunis herausgelöst und als eigene Universitäten eingerichtet worden. Töchterles Novellierung ermöglichte nicht nur die Einrichtung neuer Fakultäten, sondern auch die Fusionierung bestehender Unis, de facto also die Rückabwicklung der Änderung von 2004.

Vor allem in Innsbruck wurde über eine derartige Fusion nachgedacht. Auch das geht maßgeblich auf Töchterle zurück, er war Rektor der Innsbrucker Universität, bevor er Minister wurde, und sprach sich schon in dieser Funktion für eine Fusion aus. Doch mittlerweile ist Töchterle weder Rektor in Innsbruck noch Minister in Wien, sondern einfacher Nationalratsabgeordneter und somit ist auch eine Fusion zunehmend unwahrscheinlich geworden.

Denn eine Fusion erfordert laut Gesetz entweder die Initiative der beteiligten Unis oder die des Ministeriums. Diese wird es voraussichtlich aber nicht geben. "Wenn Universitäten fusionieren wollen, dann können sie es gerne tun, wir unterstützen sie dabei. Wir greifen aber nicht in die Autonomie der Unis ein", heißt es nun aus dem Wissenschaftsministerium auf Anfrage der "Wiener Zeitung".

Das wird man vor allem an der Medizin-Uni Innsbruck gerne hören. Das dortige Rektorenteam ist seit Anfang Oktober im Amt und trat mit einer unmissverständlichen Aussage an. "Wir sehen uns als eigenständige Universität", sagt Rektorin Helga Fritsch. An der Argumentation hat sich gegenüber Fritschs Vorgänger Herbert Lochs nichts geändert. "Für eine Fusion besteht keine Notwendigkeit. In den vergangenen zehn Jahren hat sich eine eigenständige Universität etabliert", erklärt eine Sprecherin der Innsbrucker Medizin-Uni.

Somit dürfte die Linzer Fakultät, die 2028 voll ausgebaut sein soll, vorerst die einzige Medizin-Fakultät neben drei eigenständigen Unis bleiben. Diese Neuordnung der Hochschullandschaft hat weniger mit strategischen Überlegungen als mit regionalen Befindlichkeiten zu tun. Denn die Einrichtung der Linzer Fakultät war keine Idee Töchterles, sondern erfolgte auf massiven Druck aus Oberösterreich.

Neben den Landespolitikern von Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) abwärts warb auch die oberösterreichische Ministerriege der letzten Bundesregierung für die Fakultät. Das waren neben dem jetzigen Wissenschaftsminister Mitterlehner auch Maria Fekter (beide ÖVP) und Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ). Flankiert wurde diese Initiative von einer 136.000 Unterschriften starken Liste der "Oberösterreichischen Nachrichten".

Begehrlichkeiten

und Befürchtungen

Auch die vorerst gescheiterten Innsbrucker Fusionspläne gingen auf eine regionale Initiative zurück, beide gipfelten in der angesprochenen Gesetzesnovelle. Dieser Zugriff hat auch anderswo Begehrlichkeiten geweckt. "Ich gönne Oberösterreich dieses Wahlzuckerl, aber nur dann, wenn Salzburg auch eines bekommt", sagte im Sommer Christian Stöckl, Salzburgs Vize-Landeshauptmann. Er forderte vom Bund eine Abgeltung der Ausbildungskosten und des klinischen Mehraufwands der privaten Salzburger Medizin-Uni. Diese startete wie die öffentlichen Medizin-Unis vor zehn Jahren und wird maßgeblich von Red Bull unterstützt.

Die neue Fakultät für Oberösterreich weckte aber nicht nur Begehrlichkeiten, sondern auch Befürchtungen. Gerade an den bestehenden Medizin-Uni-Standorten sorgte der jüngste Beschluss der Bundesregierung für Ängste in Sachen Finanzierung. In Tirol wird unabhängig davon über einen drohenden Ärztemangel geklagt. Der Nachschub an Turnusärzten ließ in den vergangenen Jahren merklich nach, bestätigt der Chef der Tiroler Landeskrankenhäuser, Stefan Deflorian.

Steirer fürchten um

Gelder für Uni in Graz

In der "Tiroler Tageszeitung" befürchtet der Betriebsratschef der Bundesärzte am Landeskrankenhaus direkte Auswirkungen der Linzer Fakultät auf die Situation in Innsbruck. Um die Inländerquote beim Medizinstudium zu behalten, müssten die Studienplätze bundesweit auf die verschiedenen Einrichtungen aufgeteilt werden. Der Ärztemangel in Oberösterreich könnte also mit einem Ärztemangel in Tirol und Vorarlberg bekämpft werden, befürchtet der Funktionär.

Auch in Graz regt sich Widerstand. Die steirischen ÖVP-Abgeordneten drohten gar, dem Budget ihre Zustimmung zu verweigern, falls es keine Finanzierungsgarantie für die bestehenden Medizin-Uni-Standorte gibt. Auch bei der Abgeordnetenkonferenz der Steirer am Freitag war dies Thema. Zwar verabschiedeten sich die Abgeordneten vom Nein zum Budget, sie erneuerten aber ihre Kritik. "Wir gewinnen den Eindruck, dass die Spindelegger-ÖVP für Enge steht, uns steht der Sinn aber nach Breite", sagte Landtagsklubchef Christopher Drexler. Zur künftigen Begleichung des Mehraufwandes durch die Medizin-Uni in Linz sagte Drexler: "Es ist wohl erlaubt, den Hohepriestern der Effizienz in Wien die Frage zu stellen, wie dies bei einem gleichzeitigen Konsolidierungskurs finanziert werden soll."

Kein Masterplan

in Sicht

Was alle Einrichtungen und Initiativen vereint: Es wird viel über Geld und Einfluss gesprochen, aber relativ wenig über den tatsächlichen Bedarf an medizinischer Ausbildung und Forschung. Das bemängelt auch der Forschungsrat. "Wir brauchen einen gemeinsamen Plan für die Medizin-Unis", sagt dessen Mitglied Markus Hengstschläger von der Wiener Medizin-Uni. Ein solcher Plan ist aktuell nicht in Sicht.

Der Vorsitzende des Forschungsrats, Hannes Androsch, meint sogar, mit dem aktuellen Zustand könne man einen Preis für "besonders Schlechtes gewinnen". Eine zusätzliche Fakultät da, eine Fusion hier und etwas mehr Bundesgeld dort wird an diesem Befund wenig ändern.