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Abbas' Flucht nach vorn

Von Markus Bickel

Analysen

Der Palästinenser-Präsident verschärft den Machtkampf mit der Hamas. | Die Unterstützung der israelischen Regierung könnte Mahmud Abbas noch zum Verhängnis werden. Israels Verteidigungsminister Amir Peretz erteilte nun dem palästinensischen Präsidenten die Erlaubnis zur Aufrüstung seiner Leibgarde durch ausländische Waffenlieferungen - nur Stunden, nachdem Israels Premier Ehud Olmert in Washington von US-Präsident George Bush für seinen "kühnen Plan" gelobt wurde, rund 70.000 israelische Siedler aus dem palästinensischen Westjordanland abzuziehen.


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Der militant-moslemischen Hamas liefert die einseitige Unterstützung durch Vertreter des von ihr schmähend als "zionistische Entität" bezeichneten israelischen Staates neue Argumente für eine Konfrontation mit Abbas´ Fatah-Bewegung. Zwar wurde eine erst vor wenigen Tagen gegründete paramilitärische Hamas-Einheit am Freitag von Innenminister Seyam von den Straßen des Gazastreifens in die Kasernen zurückberufen. Aber auch diese Entscheidung wird die nach dem Wahlsieg der Islamisten im Jänner immer öfter mit Waffen ausgetragenen Konflikte auf Dauer nicht eindämmen können.

Abbas selbst hat bereits am ersten Tag des Nationalen Dialogs zwischen Hamas- und Vertretern der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), der die Fatah als größte Fraktion angehört, die Auseinandersetzung zugespitzt. Sollte die Regierung von Premier Ismail Haniyeh einem Ende der bewaffneten Scharmützel zwischen Milizen der rivalisierenden palästinensischen Organisationen nicht zustimmen, werde er zu einem Referendum über die Schaffung eines unabhängigen palästinensischen Staates und die Anerkennung Israels aufrufen, erklärte er.

Der Plan beruht auf einem Vorschlag mehrerer inhaftierter Mitglieder von Hamas, Fatah, Islamischem Jihad und der Volksfront zur Befreiung Palästinas. Er stößt Meinungsumfragen zufolge bei 80 Prozent der Bevölkerung auf Zustimmung. Für Abbas scheint das Referendum der letzte Ausweg zu sein, das bei den Parlamentswahlen Anfang des Jahres verlorene Vertrauen in die Fatah zurückzugewinnen - auch wenn Hamas-Vertreter ihm vorwerfen dürften, mit Olmert zu "kollaborieren".

Dass sich der Machtkampf so sehr auf die konkurrierenden Sicherheitsapparate von Abbas und Haniyeh konzentriert, hat einen einfachen Grund: Die Mehrheit der etwa 140.000 von der Palästinensischen Autonomiebehörde bezahlten Stellen findet sich hier. Jeder Einflussverlust in diesem Sektor bedeutet zugleich weniger Verfügungsgewalt über die entscheidenden Schalthebel eines künftigen Palästinenser-Staates.

Nach der Zusicherung Bushs an Olmert, im Zweifelsfall auch eine Nichtverhandlungslösung zu akzeptieren, hat Abbas nun die Flucht nach vorn ergriffen. Trotz der Mehrheiten in den Meinungsumfragen ein Vabanque-Spiel: Sollte er das Referendum verlieren, würde über die Ausgestaltung eines Palästinenser-Staates ohne palästinensische Beteiligung entschieden.