Ramallah/Gaza/Washington - Der designierte palästinensische Ministerpräsident Mahmud Abbas bemüht sich, auch radikalere Palästinensergruppen in sein künftiges Kabinett einzubinden - mit unterschiedlichem Erfolg. Während die Organisation Islamischer Jihad sowie die marxistische PLFP von George Habash am Montag das Ansinnen strikt ablehnten, signalisierte die linksorientierte DLFP Interesse.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Abbas will seine potentiellen Koalitionspartner zu einem Waffenstillstand gegenüber Israel verpflichten, wozu die Vertreter des Islamischen Jihad, deren Anhänger gemeinsam mit denen der Hamas für die meisten Anschläge in Israel verantwortlich sind, nicht bereit sind. Die Gruppe, die sich auch zum jüngsten Selbstmordattentat am Sonntag in Netanya bekannt hatte, will den Terror gegen Israel sogar noch verstärken, wie ein Sprecher der Organisation am Montag in Gaza ankündigte.
Hamas schweigt
Die islamistische Hamas, mit der Abbas am Wochenende in Gaza ebenfalls über eine Regierungsbeteiligung verhandelte, hielt sich gestern bezüglich des Ergebnisses bedeckt.
Hingegen erklärten sich die Al-Aksa-Märtyrerbrigaden - der militärische Arm der Fatrah-Organisation von Palästinenserpräsident Yasser Arafat - bereit, zumindest während des Irak-Krieges ihre Anschläge auf israelischem Gebiet zu stoppen. Jene auf jüdische Siedler und israelische Soldaten in den von Israel besetzten Gebieten werden aber fortgesetzt, erklärte ein Vertreter. Zumindest solange, bis Abbas mit Israel einen Waffenstillstand ausgehandelt habe.
Einen nationalen Schulterschluss strebt die linksgerichtete "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP) von Nayef Hawatmeh an. Sie sei zu einer Regierungsbeteiligung bereit, erklärte der Vertreter Salah Zeidan in der Nacht auf Montag in Gaza. Dagegen schloss die marxistische "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) laut ihrem Sprecher Jamil Majdalawi eine Regierungsbeteiligung aus. Die DFLP war 1969 durch Abspaltung von der PFLP von Georges Habash entstanden.
Hintergrund der Bemühungen von Abbas, ein möglichst breites Parteienspektrum hinter sich zu scharen, ist die von den USA und Großbritannien knapp vor Beginn des Irak-Krieges versprochene Wiederbelebung des israelisch-palästinensischen Friedensprozesses. Abbas will vermeiden, dass radikale Gruppen mit blutigen Anschlägen neue Verhandlungen bereits im Keim ersticken, wie sie dies bei früheren Gesprächsrunden getan hatten.
Die USA und Großbritannien erklärten gestern neuerlich, dass sie ungeachtet der starken israelischen Vorbehalte gegen den Nahost-Friedensfahrplan ("Roadmap to Peace") Fortschritte mit den Palästinensern noch während des Irak-Krieges erreichen wollen. US-Außenminister Colin Powell kritisierte darüber hinaus vor der größten jüdischen Lobby-Organisation in Amerika, der AIPAC, am Sonntagabend in Washington den von Israel betriebenen Ausbau jüdischer Siedlungen. Dieser sei mit der Zwei-Staaten-Lösung, die der amerikanische Präsidenten ins Auge fasse, unvereinbar, wird Colin Powell in der Zeitung "Haaretz" zitiert.
Israel, das die von den USA, Russland, der EU und der UNO ausgearbeitete "Roadmap für Peace" in der bestehenden Version wegen zu weitreichender Zugeständnisse ablehnt, verwahrt sich indes kategorisch gegen jeden Versuch der Allierten, wegen des Irak-Krieges Druck auf Israel auszuüben. Zuerst müssten Abbas und seine Regierung den "großen Test" bestehen, die Beendigung des Terrorismus, meinte Außenminister Silvan Shalom, und stellte damit klar, dass Israel neuerlich Verhandlungen von einer vollständigen Waffenruhe abhängig macht.
Kürzlich hatte der britische Außenminsiter Jack Straw in einem BBC-Interview eingeräumt, dass der Westen im Nahen Osten mit "zweierlei Maß" messe und Israels Missachtung von UNO-Beschlüssen ebenso ernst nehmen sollte wie jene des Irak. Auf eine Journalistenfrage, ob auch er sich in diesem Zusammenhang "schuldig" fühle, hatte Straw geantwortet: "In gewissem Maße schon. Aber wir werden das ändern". Israel hatte darauf äußerst erbost reagiert und den britischen Botschafter ins Außenamt zitiert.