Der Kampf gegen den Terrorismus hat die US-Forschung beflügelt. Der Schock über den 11. September 2001 war noch nicht überwunden, als die für die Abwehr Zuständigen bereits die Entwicklung einer neuen Bombe mit besonderen Eigenschaften forcierten: Sie sollte gezielt in Höhlen explodieren und die dort versteckten Menschen töten. Schon Mitte Dezember waren die Wissenschafter bereit. In der Wüste von Nevada brachten sie BLU-118S, die erste thermobarische Bombe, zur Detonation. Ihre Wirkung war so überzeugend, dass zehn Stück sofort den US-Streitkräften in Afghanistan geliefert wurden. Wirkprinzip von BLU-118S: Sie hat zwei Sprengköpfe und kann von Mauern nicht abgelenkt werden. Die erste Explosion setzt ein entflammbares Gemisch frei, das sich verteilt. Eine zweite entzündet den Brennstoff, dadurch entsteht eine Schockwelle, die sich rasend schnell in Höhlen, Tunneln und Labyrinthen ausbreitet und alles Leben darin vernichtet, ohne die Höhlen selbst zu zerstören.
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Nach Jahren der relativen Stagnation in der US-Rüstungsindustrie ist die Maschinerie also wieder in Bewegung gekommen. Und sie dürfte etliche Überraschungen zu bieten haben. Denn: "Wenn Großmächte Kleinkriege führen, können sie wesentlich mehr praktische Experimente durchführen, weil es keinen Zweifel daran gibt, dass sie gewinnen werden", so Michael Vickers, ein US-Militäranalyst.
Rund 365 Mrd. Dollar sind im laufenden Finanzjahr 2003 für den US-Verteidigungshaushalt budgetiert. Doch dabei dürfte es wohl kaum bleiben, hat doch der Aufmarsch von 150.000 Soldaten am Golf schon bisher weit mehr als zwei Mrd. Dollar gekostet, indessen vermutlich nicht einmal die Verantwortlichen selbst veranschlagen können, wie teuer die zahlreichen Privatfirmen und Zivilisten werden, die in jedem Konflikt quasi als "geheime Söldner-Armee" das tun, was die Army nicht tun kann oder will. - Da will die Öffentlichkeit doch einmal etwas dafür geboten bekommen.
Gefährliche Geheimnisse
Zwar verfügen die USA, wie angenommen werden darf, über das weltweit größte und bedrohlichste Kontingent an Massenvernichtungswaffen aller bisher bekannten Kategorien wie A (= atomare), B (= biologische) und C (= chemische), doch wird dies in der Regel so geheim gehalten, dass es sich der Recherche entzieht. In den öffentlichen Fokus gerät es allenfalls in Kriegszeiten oder durch Indiskretion.
Indessen: Das große Business lässt sich mit den meisten Stoffen dieses militärischen Giftlagers sicher nicht machen, zumal viele von ihnen den USA selbst gefährlich werden könnten - wie die Anthrax-Hysterie und die jetzige Pocken-Angst beweisen -, so sie in die Hände von Psychopathen, Terroristen oder anderer Feinde gelangen. Und: Auch wenn die USA bestimmte Verträge über den Nicht-Einsatz solcher Waffen entweder nicht unterschrieben haben oder sie zu umgehen wissen, müssten sie doch im Fall des Falles damit rechnen, so gut wie die ganze Welt massiv gegen sich aufzubringen.
Das Rüstungsgeflecht
Gefragt sind daher Innovationen der Waffentechnik - auch und vor allem im Geflecht zwischen Pentagon und der US-Rüstungsindustrie. Letztere besteht im Wesentlichen aus den fünf Konglomeraten Lockheed Martin, Northrop Grumman, Boeing, Raytheon und General Dynamics - und jedes von ihnen hat nur einen Auftraggeber, nämlich das Pentagon. Was bedeutet, dass die Rüstungsindustrie zwar vor Mitbewerbern geschützt ist, das Pentagon aber die Preise diktieren kann. Die Gewinne aus dieser Symbiose sind deshalb längst nicht so hoch, wie oft vermutet wird, aber jede der genannten Firmen beschäftigt Zehntausende von Mitarbeitern in fast allen US-Bundesstaaten.
"Saubere" Waffen
Krieg ist ein schmutziges Geschäft und daher heute leichter zu führen, wenn die Waffen "sauber" sind. Also könnte zum Beispiel ad hoc niemand etwas dagegen einzuwenden haben, setzten die USA gegen den Irak die bisher geheimnisumwitterte "E-Bombe" bzw. entsprechende Systeme ein, die per Elektronik Kraftwerke, Kommunikationssysteme u. a. m. außer Betrieb setzen.
Die Folgen sähen freilich verheerend aus, wie der Münchner Alexander Christof ("Architects for People in Need") anhand des Szenarios eines herkömmlichen Luftangriffs auf die fünf Millionen-Stadt Bagdad erläutert: "Als erstes fällt der Strom aus. Von da an kommt kein Tropfen mehr aus der Wasserleitung, denn hier ist alles flach, da muss gepumpt werden." Die Mehrheit ist zu arm, um abgefülltes Wasser kaufen zu können. Die Menschen werden es aus dem Tigris holen, dessen Kläranlagen schon jetzt nur noch eingeschränkt und dann mangels Strom gar nicht mehr funktionieren werden. Sie werden erkranken, ohne dass ihnen die Spitäler helfen könnten...
Präzisionssteuerung
Im Interesse der Zivilbevölkerung sind daher in einem Krieg, der mit Bomben und Granaten geführt wird, präzise zu steuernde Waffen natürlich sehr zu begrüßen. Laser, noch mehr aber Satelliten und unbemannte "Drohnen" zur Überwachung am Boden und als ferngelenkte Waffenträger sollen dies möglich machen.
Die neue JASSM-Rakete (Joint Air-to-Surface-Stand-off Missile) von Lockheed Martin findet angeblich nach ihrem Abschuss von einem F-16-Kampfjet auch im dicksten Nebel ihr Ziel, für andere Bomben wie etwa JDAM (Joint Direct Attack Munition) besorgt dies GPS, das satellitengestützte Global Positioning System. US-Militärexperten sind überzeugt, dass bei einem Einsatz im Irak mehr als 80 Prozent der "intelligenten" Munition ihre Ziele selbst suchen und ziemlich genau treffen werden.
Atomarer Bunker-Knacker
Indessen hat Washington deutlich gemacht, dass in einem so definierten Ernstfall auch "saubere Nuklearwaffen" eingesetzt werden könnten. Die Rede ist von den sogenannten "Bunker Bustern" vom Typ GBU-24, die bis zu 20 Meter tief in den Boden eindringen und mehrere Meter Beton durchschlagen können. Mit einem kleinen taktischen Atomsprengkopf von etwa fünf Kilotonnen - das entspricht der Zerstörungskraft von 5.000 Tonnen TNT - lassen sich nach Auffassung der Militärs auch die massivsten Bunker zerstören. Das gilt auch für das kleinere, rascher einsetzbare Modell B61-11.
Den "minimalen Kollateralschaden", der laut Militärkreisen dabei entstünde, entlarvt der Physiker und Nuklearwaffen-Experte Robert. W. Nelson (Princeton) freilich als Illusion: So tief könne ein derartiges Geschoß nämlich physikalisch gar nicht in den Boden eindringen, dass der radioaktive Fallout selbst der kleinsten Atombombe begrenzbar wäre. Bei einem Einsatz in Bagdad sei deshalb mit bis zu 15.000 Strahlentoten zu rechnen.
Nelsons Verdacht im ZDFonline-Interview mit Stefan Lehmacher: "Bestimmte Kreise in der US-Regierung wollen damit vor allem das Atomteststopp-Abkommen knacken."
"Labor-Ratte Saddam"
Das passt auch in die "Bush-Doktrin" des Präventivangriffs, den Maureen Dowd vergangene Woche in der "New York Times" so kommentierte: "Saddam ist die perfekte Labor-Ratte, um die neue vorbeugende Doktrin ´Das Empire schlägt zuerst´ zu erproben." In der Tat: Es mehren sich die Zeichen für diesen Testfall.