Japans Premier bekennt sich zur Atomkraft, die wieder im Kommen ist.
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Tokio. Trotz der Atomkatastrophe von Fukushima wird Japan nicht aus der Atomenergie aussteigen. Das machte Premier Shinzo Abe kürzlich in einer Rede an der amerikanischen Wall Street dieser Tage klar. "Japan wird im Bereich der Sicherheitstechnik für Atomkraftwerke weiter seinen Beitrag für die Welt leisten", sagte er. "Wir werden sie niemals aufgeben. Ich glaube, dass wir die Verantwortung und die Verpflichtung haben, der Welt die höchsten Sicherheitsstandards zu bieten, indem wir die Folgen des Fukushima-Unfalls überwinden." Lange hatte sich Abe um klare Aussagen gedrückt, da etwa zwei Drittel der Japaner sich sofort oder mittelfristig den Abschied von der Atomenergie wünschen. Doch mit einem klaren Sieg bei den Oberhauswahlen im Juli und weiter hohen Zustimmungsraten in der Bevölkerung wagt Abe nun klare Worte.
Die Marschrichtung der Regierung und der Ministerialbürokratie ist klar: Selbst erklärte Gegner der Atomkraft unter den Politikern scheinen den Argumenten der Atomlobby kaum etwas entgegensetzen zu können.
So bewarb sich etwa der Kraftwerks-Betreiber Chubu Electric Power, der das Atomkraftwerk in Hamaoka betreibt, nun bei der japanischen Regulierungsbehörde NRA um Prüfung, ob die Reaktoren wieder hochgefahren werden dürfen. Dort wurden seit dem Atomunglück in Fukushima unter anderem eine neue Tsunamischutzmauer gebaut und Mauern um Notstromaggregate erhöht. Das AKW Hamaoka gilt als eines der gefährlichsten der Welt. Sollte im Nankai-Graben direkt vor der Küste ein Starkbeben stattfinden, was schon lange befürchtet wird, würde ein Tsunami in nur zehn Minuten auf das AKW zurasen.
Am havarierten AKW in Fukushima kämpfen indes die Arbeiter weiter gegen die Wassermassen: mit Grundwasser und Taifun-Regenwasser, das in die Anlage eindringt und dadurch verstrahlt wird, sowie mit hochverstrahltem Reaktorkühlwasser, das aus Vorratstanks ausgelaufen ist. Als nächste große Herausforderung gilt die Entnahme der verbrauchten Kernbrennstäbe aus dem Abklingbecken in Reaktor vier - eine Aufgabe, die Experten als sehr risikoreich ansehen. Manche befürchten gar eine größere Katastrophe als vor zweieinhalb Jahren.
Seither musste Japan, das bis dahin rund 30 Prozent seiner Energie aus Atomkraft bezog, die meisten Reaktoren herunterfahren. Zeitweilig lief nur das AKW Ohi - bis es Mitte September zu den üblichen Prüfungen nach 13 Monaten wieder vom Netz ging. Seitdem ist Japan atomstromfrei - trotz eines pro-nuklearen Premiers. Wer weiß, wie lange.