Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit soll Querschnittsmaterie werden.
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"Wiener Zeitung": Beim Treffen mit Ihren Amtskollegen in Dublin soll es auch eine Debatte über "richtige" und "falsche" Sparmethoden gegeben haben. Die Arbeitslosigkeit in Europa steigt unterdessen weiter an. Lässt sich die Sparpolitik in ihrer derzeitigen Form aufrechterhalten?Maria Fekter: Als wir unser Konsolidierungs- und Sparpaket geschnürt haben, haben wir festgelegt, dass wir fünf Elemente nicht beschädigen dürfen: Wachstum, Investitionen, Arbeitsplätze, Kaufkraft und Inflation. Wir haben zum Beispiel die Frühpensionen in Richtung gesetzliches Mindestpensionsalter gehoben. Das hemmt weder das Wachstum noch die Kaufkraft. Es heizt nicht die Inflation an und kostet keine Arbeitsplätze.
Wie lässt sich das auf die europäische Ebene heben, wenn die einzelnen Staaten es mit dem Verweis auf ihre eigenen Zuständigkeiten verhindern?
Das lässt sich sehr wohl auf europäischer Ebene anwenden. Das versucht die EU-Kommission, indem sie in ihren jährlichen Berichten auf wirtschaftliche Ungleichgewichte hinweist. Wenn ein Land die falschen Maßnahmen setzt oder Reformen verschleppt, zeigt die Kommission diese Schieflage auf. Ratschläge aus Europa sind aber in den Staaten nicht so gern gesehen.
Und wie hilft das einem 20-jährigen Spanier, der keinen Job hat?
Wir müssen dringend Schritte gegen die Jugendarbeitslosigkeit setzen. Ich halte das für noch wichtiger als die Bankenstabilisierung. Wir müssen Maßnahmen entwickeln, damit uns nicht eine Generation verlorengeht. Denn diejenigen, die jetzt und über einen längeren Zeitraum arbeitslos sind und nicht in die Systeme einzahlen, werden in eine Armutsfalle tappen. Wir müssen jetzt etwas dagegen unternehmen. Dieser Gedanke ist in der Brüsseler Bürokratie noch nicht angekommen.
Ist er denn in den Staaten angekommen?
Wir diskutieren derzeit das Budget und seine einzelnen Programme. In keinem gibt es aber einen Hinweis darauf, dass es Geld nur mehr gibt, wenn nachhaltige Arbeitsplätze geschaffen werden, wenn nachhaltig etwas gegen Jugendarbeitslosigkeit getan wird. Ein kleines eigenes Programm – das kann es nicht sein. Es muss zu einer Querschnittsmaterie werden. So wie die Berücksichtigung von Frauen in jedem Bereich. Das stellt mittlerweile niemand mehr in Frage. Genauso könnten die Staats- und Regierungschefs zusätzlich festlegen, dass im gesamten Budget der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit berücksichtigt wird. Falls nicht, könnte es Restriktionen bei der Auszahlung von EU-Geldern geben.
Um EU-Gelder, nämlich Steuern, die möglicherweise Staaten entgehen, geht es auch bei Verhandlungen um den Austausch von Bankinformationen. Wie erklären Sie Ihren Amtskollegen in der EU den Widerstand Österreichs dagegen?
Wir wollen nicht, dass die Behörden Zugriff auf alle Kontobewegungen haben. Das hat in Österreich keine Tradition. Hier schützen wir die Privatsphäre der Menschen. Aus meiner Zeit als Innenministerin weiß ich: Wenn es um Datenaustausch zur Kriminalitätsbekämpfung ging, hat es immer intensive Debatten gegeben zum Ausmaß des Eingriffes oder zum Datenschutz. Dabei ist die Auslegung viel restriktiver als bei Fragen der Steuer. Die Sensibilität der Finanzminister ist da weniger ausgeprägt.
Erweckt Österreich nicht gleichzeitig den Eindruck, ausländische Steuerhinterzieher zu schützen?
Wir sind ein Hochsteuer-Land, und wir haben alle Geldwäsche-Richtlinien der OECD umgesetzt. Im Ranking der so genannten Steuerparadiese liegen Deutschland, Liechtenstein oder Großbritannien vor uns. Wir bekämpfen Steuerflucht wesentlich effizienter als so manche Kollegen in der EU, die den automatischen Informationsaustausch haben. Mit unserem Abkommen mit der Schweiz und Liechtenstein wird sichergestellt, dass wir das Geld zurückbekommen, wovon auch die Steuerzahler profitieren. Mir ist lieber, das Geld fließt, als ich habe zu Hause einen Datenfriedhof, aber keinen Steuercent.
Bedeutet das, Österreich ist weiterhin dagegen, der EU-Kommission ein Mandat für Verhandlungen über den automatischen Datenaustausch zu geben?
Die entsprechende Richtlinie ist so schwammig verfasst, dass nicht einmal klar ist, in welche Richtung die Kommission verhandelt oder welchen Konsens sie einbringen will.
Eines der Ziele ist der Schutz vor Steuerbetrug.
Das österreichische Bankgeheimnis schützt keine Betrüger, Geldwäscher oder Kriminellen. Die gehen dorthin, wo ihre Anonymität geschützt ist. Vor ein paar Tagen noch haben alle auf Österreich geschaut, aber die Länder, die anonyme Konstrukte ermöglichen, sind nicht beachtet worden. Es ist einfach hingenommen worden, dass es die Cayman- oder die Kanalinseln gibt.
Großbritannien hat schon angekündigt, Verhandlungen mit diesen Gebieten zu führen.
Ich habe über die Forderung Großbritanniens – gemeinsam mit Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien – geschmunzelt, den Kampf gegen Steuerbetrug und Geldwäsche zu verstärken. Das haben wir doch bereits von Zypern verlangt. Und was für eine kleine Insel gilt, soll nun auch für eine große gelten.
Auch Polen unterstützt die Initiative – damit haben sich die sechs größten EU-Staaten zusammengeschlossen. Glauben diese, sie können den kleinen etwas aufzwingen?
Richtig, das glauben sie. Aber dann gibt es da noch die Fekter. Doch wir sind eine Gemeinschaft von 27 Staaten. Es ist eine gute Tradition, dass diese auf Augenhöhe miteinander verhandeln. Und es ist schlechte Tradition, wenn ein paar mächtige Länder sich etwas untereinander ausmachen. Auch die wären nämlich gut beraten, die Kleinen nicht zu überfahren.
Und was sagen Sie zu dem Vorstoß selbst?
Ich begrüße die Initiative, gemeinsam verstärkt gegen Steuerbetrug und –flucht vorzugehen. Mit zwei Stoßrichtungen: Bei den Verhandlungen mit den Amerikanern zu einer starken europäischen Position zu kommen und Reziprozität zu erreichen statt Datenabsaug-Zwang. Zum zweiten geht es auch um die Gespräche mit den G20, die ebenfalls von einem transparenten System überzeugt werden sollen. Das Abkommen mit den USA beruht derzeit noch darauf, dass die Amerikaner Daten verlangen. Da gibt es keinen Austausch, sondern nur die Androhung von Sanktionen. Österreich muss die Vereinbarung auch treffen. Aber es gibt zwei Modelle, und wir möchten das gleiche wie die Schweizer. Das sieht vor, dass der Kontoinhaber der Offenlegung seiner Kontoinformationen zustimmen muss.
Haben Sie sich beim Ministertreffen am Wochenende isoliert gefühlt?
Dass der Wind bei meiner Ankunft rau war – nach dem Motto: "Alle gegen Fekter, Fekter gegen den Rest der Welt" –, habe ich nicht so empfunden. Das Ergebnis des Treffens ist für mich sogar äußerst erfreulich gewesen. Vor einer Woche hätte sich niemand gedacht, dass ein Trust-Register diskutiert wird, das auch Großbritannien umfasst.