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Abertausende Osteuropäer frieren

Von WZ-Korrespondent Christian Wehrschütz

Wirtschaft

Zigtausende Haushalte in Bosnien und Serbien ohne Heizung. | Slowenien und Kroatien etwas besser vorbereitet. | Belgrad. Wie sehr die Staaten des ehemaligen Jugoslawien vom Gaskrieg zwischen Russland und der Ukraine betroffen sind und somit unter Engpässen bei der Versorgung leiden, hängt von drei Faktoren ab: von der Rolle des Erdgases als Energieträger, von der Lagerkapazität und von der Möglichkeit, auf andere Energieträger umzustellen.


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Keine Gaslager haben etwa Serbien und Bosnien, die auch keine Reserven mehr haben. So sind in Novi Sad in der Vojvodina bereits 75.000 Personen ohne Heizung, weil die Heizwerke nicht auf Schweröl umstellen konnten. Drei Ambulanzen mussten bereits geschlossen werden.

Altenheim und Gefängnis sind bereits ohne Heizung

Auch in der Stadt Pancevo, in der sich die größte Erdölraffinerie Serbiens befindet, sind Engpässe deutlich spürbar. Die Bewohner bleiben ohne Heizung, weil Gas der einzig mögliche Energieträger ist. Betroffen davon sind auch das Bezirksgefängnis, ein Altenheim, mehrere Kindergärten, die Stadtbibliothek und das Museum. In Serbien wurde überall auf Strom und Schweröl umgestellt, wo es möglich ist. Die Reserven an Schweröl reichen in Serbien für sieben Tage, auch die Stromimporte hat Serbien erhöht. Die Regierungen in Sarajewo, Belgrad und allen anderen Staaten des ehemaligen Jugoslawien haben die Bürger aufgerufen, auch mit Strom sparsam umzugehen.

Bosnien hat mit den gleichen Problemen zu kämpfen wie Serbien, doch dürfte die Krise bereits ein größeres Ausmaß erreicht haben; in mehreren Städten sollen insgesamt 100.000 Haushalte von den Engpässen betroffen sein; zu verzeichnen war in Bosnien ein wahrer Run auf Radiatoren und Heizstrahler. Davon wurden etwa in einem Einkaufszentrum in Sarajewo binnen zwei Tagen mehr als 3000 Stück verkauft. Auch Holz und Kohle sind sehr begehrt.

Unter dem Gaslieferstopp leiden in Bosnien auch einzelne Großbetriebe, die etwa Stahl oder Aluminium produzieren und nicht auf andere Energieträger umstellen können. Betroffen sind aber auch die Kleinsten; mancherorts mussten Kindergärten schließen, die Kinder wurden in anderen Heimstätten untergebracht, die beheizt werden können.

Besser als in Serbien und Bosnien ist die Lage derzeit noch in Slowenien und Kroatien. Beide haben größere Gaslager, außerdem versorgt sich Slowenien teilweise auch aus Algerien und Kroatien deckt seinen Gasbedarf zu etwa 60 Prozent selbst. Trotzdem treten in beiden Staaten durch den Lieferstopp aus Russland Probleme und Engpässe auf. Slowenien hat eine garantierte Versorgung nur mehr bis Sonntag, vorbereitet wird der Umstieg auf Strom in der Industrie, wo das eben möglich ist. Die Regierung in Laibach hat allerdings betont, dass der Bedarf der Haushalte allein durch die Importe aus Algerien gedeckt werden könne. Der slowenische Energieversorger Geoplin bereitet auch bereits eine Klage gegen den russischen Konzern Gazprom vor, weil im Liefervertrag eine Entschädigung für Ausfälle vorgesehen ist.

Kosovo ist nicht betroffen: Hier gibt es keine Leitung

Kroatien hat die Versorgung der Industrie bereits gekürzt und Prioritäten gesetzt. Dazu zählen vor allem Haushalte, Krankenhäuser und andere lebenswichtige Einrichtungen. Etwa 600.000 Haushalte werden in Kroatien mit Gas versorgt.

Weit geringer von der Krise betroffen sind Mazedonien, Montenegro und der Kosovo. Im Kosovo gibt es überhaupt keine Gasversorgung, weil es keine Leitung gibt. Für kosovarische Verhältnisse relativ gut funktioniert bisher die Stromversorgung. Wer regelmäßig oder im Voraus zahlt, soll bislang keine Probleme haben. Die Kategorie C wird kaum versorgt - dazu zählen vor allem Haushalte oder Betriebe, die kaum oder gar nicht ihre Stromrechnungen bezahlen.

In Mazedonien und Montenegro heizen die Haushalte nicht mit Gas, doch leiden 20 große mazedonische Firmen unter dem Lieferstopp, die nicht auf andere Energieträger umstellen können.