Die Sozialpartner, ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch und Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl präzisierten Donnerstag in einer Pressekonferenz ihre Kritikpunkte an den Änderungen der Regierung am Sozialpartnerentwurf zur Abfertigung neu: Der Abfertigungsbeitrag von 1,53% soll gesetzlich festgeschrieben werden, nicht durch einen General-KV; die Beitragszeiten sollen durchgängig erfolgen, also auch während der Kindererziehungszeiten, des Präsenz- oder Zivildienstes und die Einhebung der Beiträge soll durch die Krankenkassen erfolgen. Darüber hinaus fordern die Sozialpartner eine Ausweitung des Bezieherkreises der Abfertigung neu auch auf Selbständige, Bauern und freie Dienstnehmer.
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Am Donnerstag endet die Begutachtungsfrist des am 20. März von der Regierung ausgesandten Entwurfes zur Abfertigung neu. Die Sozialpartner haben noch einmal ihre gemeinsamen Wünsche und Forderungen deponiert und hoffen nun auf die Umsetzung:
- Es gebe keine EU-Vorschrift, die eine gesetzliche Regelung des Abfertigungsbeitragssatzes (1,53% der Bruttolohnsumme) unmöglich mache, betonte Verzetnitsch. Die Abfertigung sei ein Lohnbestandteil, das könne man der EU-Kommission sicher deutlich machen. Die Regierung plant nämlich, den Beitragssatz in einem Generalkollektivvertrag festzulegen und für jene Arbeitnehmer, für die kein KV besteht, einen Beitragssatz von 1,53% gesetzlich festzuschreiben. Hintergrund dafür ist die Sorge der Regierung, dass durch einen gesetzlich geregelten Beitrag an Mitarbeitervorsorgekassen die Abgabenquote erhöht würde und mit eventuellen Bedenken der EU zu rechnen sei. Verzetnitsch verwies auf den Sozialexperten Mazal, der in einer Stellungnahme ebenfalls eine gesetzliche Regelung empfiehlt.
- Weiters fordern die Sozialpartner in ihrer Stellungnahme zum Regierungsentwurf eine Vereinheitlichung des Beginns der Beitragszahlung. Das bedeutet, dass der erste Monat der Beschäftigung beitragsfrei ist (z.B.: Eintrittsdatum 15. August, Beitragsbeginn 15. September). Für Saisonniers, die innerhalb von zwölf Monaten zwei Mal beim selben Dienstgeber beginnen, gilt nur ein beitragsfreier Monat.
- Alle Entgeltbestandteile, die in die Bemessungsgrundlage für die Sozialabgaben einzurechnen sind, sind auch für die Abfertigungsbeiträge zu berücksichtigen.
- Um eine durchgängige Einzahlung zu gewährleisten, sollen Kindererziehungszeiten (Bemessungsgrundlage ist das Kinderbetreuungsgeld) durch den Familienlastenausgleichsfonds abgegolten werden. Leitl bezeichnete es als "Irrtum", dass Kindererziehungszeiten im Regierungsentwurf nicht berücksichtigt wurden. Für Grundwehrdiener, Zivildiener und einjährig Freiwillige soll der Abfertigungsbeitrag vom jeweiligen Ministerium (Verteidigung, Inneres) geleistet werden. Zeiten der Familienhospizkarenz und des Krankengeldbezuges sollen von den Krankenkassen abgedeckt werden, Zeiten der Bildungskarenz von der Arbeitslosenversicherung.
- Die Beitragseinhebung, fordern die Sozialpartner, soll durch die Krankenkassen erfolgen. Da die Kassen dafür gerüstet seien, werde wahrscheinlich der vorgesehene Verwaltungsaufwand von 0,7% dafür gar nicht ausgeschöpft.
- Um zu verhindern, dass kleine Betriebe von Mitarbeitervorsorgekassen nicht als Vertragspartner akzeptiert werden, ist ein Beitrittsanspruch oder eine unkomplizierte gleichwertige Ersatzlösung gesetzlich vorzusehen.
- Um Frauen den Zugang zur Auszahlung auch bei Selbstkündigung wegen Erreichen des Antrittsalters für eine vorzeitige Alterspension offen zu halten, schlagen die Sozialpartner folgende Regelung vor: Personen im Alter ab 56,5 Jahren können bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses die Auszahlung der angesparten Abfertigung verlangen.
- Besonders wichtig ist den Sozialpartnern die Klarstellung, dass es zu keinen steuerrechtlichen Verschlechterungen kommt. Abgelehnt wird die Reduktion der steuerlichen Begünstigung von Abfertigungsrückstellungen von 50% auf 45%. Die bisherigen Abfertigungsrückstellungen sollen steuerfrei aufgelöst und zu echtem Eigenkapital umgewandelt werden können. Für die Arbeitnehmer wird dafür plädiert, dass zusätzliche Abfertigungen auf KV-Basis ebenso steuerbegünstigt bleiben sollen wie zusätzliche Abfertigungen nach §67 Abs. 6 EStG.
- Als neue Forderung kam nun hinzu, dass künftig wirklich alle - also auch Selbstständige, Bauern und freie Dienstnehmer - in den Genuss der Abfertigung neu kommen sollen. Schließlich handle es sich um den Aufbau einer zweiten Pensionssäule, einer Zukunftsvorsorge. Als Beitragsbasis soll die jeweilige Höchst- bzw- Mindestbemessungsgrundlage genommen werden.
"Unser Modell hat den Elchtest bestanden", meinte Leitl, er wünsche sich daher einen Allparteienbeschluss im Nationalrat. Und das so früh als möglich. Verzetnitsch rechnet damit, dass der Fahrplan hält und die Abfertigung neu mit 1. Juli 2002 in Kraft titt. Für einzelne technische Details könnte ja eine spätere Wirksamwerdung vereinbart werden.
Während die Grünen dem Sozialpartnermodell ihre Zustimmung gaben, kam Kritik von der FPÖ. Die Ausweitung des Bezieherkreises stehe in keinem Zusammenhang mit der Abfertigung neu, sagte Finanzsprecher Hermann Böhacker.
Die Pensionskassen sehen in der Abfertigung neu die große Chance zum Ausbau der zweiten Säule für die Altersvorsorge, betonten Vertreter des Fachverbandes der Pensionskassen in einer Pressekonferenz. Sie fordern daher:
€ Die Abfertigung neu soll mit bestehenden Einrichtung der betrieblichen Altersvorsorge kombiniert werden können.
€ Die künftige Organisation der Abfertigung neu solle im Rahmen bestehender Pensionsvorsorge-Einrichtungen stattfinden; neue bürokratische Strukturen würden nur zu einem enormen Verwaltungsaufwand führen.
€ Beim Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben sollten die Ansprüche aus der Abfertigung neu in bereits bestehende Pensionskassenlösungen übertragen werden können.
Im Fokus der Abfertigung soll nach Wunsch der Pensionskassen die Altersvorsorge stehen.