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"Abfertigung Neu" verändert Steuerbilanzen

Von Alfred Abel

Wirtschaft

Punkt 14 verhieß den Unternehmern eine Sensation. Die Sozialpartner hatten in ihrem Arbeitspapier vom Oktober 2001 vorgesehen, dass die Abfertigungsrückstellungen in den Bilanzen der Arbeitgeber steuerfrei in Eigenkapital umgewandelt und die lästigen Wertpapierdepots für diese Rückstellungen ruckzuck aufgelöst werden dürften. Fünf Monate später liegt der erste Entwurf zum künftigen "Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetz" vor. Man lernt daraus: Ganz so einfach wird's doch nicht gespielt.


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Zur Erinnerung: Mit dem Start des neuen Gesetzes ("BMVG") - geplant: ab 1.Juli 2002; realistischer wohl: ab 1.Jänner 2003 - wandert der Abfertigungsanspruch für alle neu beginnenden Dienstverhältnisse an eine Mitarbeitervorsorgekasse (MVK). Der Arbeitgeber bezahlt ab dann für seine Neueingestellten den monatlichen Obolus von 1,53% der Bruttobezüge an die Kasse.

Unzählige Regeln für den Übergang

Ideal ist es natürlich, wenn auch die Betriebsgründung in die neue Ära fällt. Für die Mehrzahl der Betriebe wird es aber Beschäftigte aus der Zeit vor dem 1. Juli geben und solche, die ab diesem Datum neu eintreten. Für diese "Mischbetriebe" hält das neue Gesetz eine Unzahl von Leitsätzen und Übergangsbestimmungen parat - auch steuerliche, vor allem für jene, die in ihren Bilanzen bisher schon mit Abfertigungsrückstellungen vorgesorgt haben. Nach bisheriger Rechtslage darf eine Abfertigungsrückstellung mit steuerlicher Wirkung bis zu 50% der (fiktiven) Arbeitnehmeransprüche aufgebaut und bilanziert werden; für Dienstnehmer über 50 darf sie sogar bis 60% betragen. Im jeweiligen Folgejahr muss die Rückstellung zur Hälfte (also bis 25% der Ansprüche) durch geeignete Wertpapiervorräte gedeckt sein.

Kein Eingriff im Handelsrecht

Abgesehen von dieser steuerlich zulässigen Vorsorge bestehen für mittlere und große Unternehmen, vor allem für die protokollierten, auch noch handelsrechtliche Vorsorgeverpflichtungen, die über das steuerliche Limit hinaus gehen, häufig mit bis zu 80% der möglichen Dienstnehmeransprüche passiviert werden. Das neue BMVG kümmert sich allerdings nicht um die handelsrechtlichen Pflichten der Unternehmer sondern nur um die steuerrechtlichen; was die Schere zwischen Handels- und Steuerbilanz bedauerlicherweise weiter auseinander treibt. Das Schicksal der steuerlichen Rückstellungen in der BMVG-Ära ist freilich schon allein kompliziert genug.

Rückstellung wird weitergeführt

Fall 1: Der Betrieb bleibt bei seiner bisherigen Steuerbilanzpraxis, was für alle am 30.6.2002 bestehenden Dienstverhältnisse zulässig ist. Er führt also auch die Rückstellung weiter, mit 50% oder mit 60%. Das darf er letztmals am 31.12.2002. Ab 2003 sieht das Gesetz eine zweistufige Absenkung vor: aus den 50% müssen 47,5% werden und 2004 (auf Dauer höchstens) 45% der jeweiligen Ansprüche. Das 60%-Limit ist von der prozentuellen Reduktion ausgenommen. Die Auflösungsbeträge sind steuerpflichtig.

Fallen Abfertigungszahlungen an, dann sind sie teilweise durch Verbrauch der Rückstellung zu decken, teilweise als Aufwand zu verbuchen.

Rückstellung wird "eingefroren"

Fall 2: Der Betrieb freundet sich mit der MV-Kasse an. Er will mit Wirkung ab 1. Juli 2002 für alle Dienstnehmer (für die "alten" und für die neuen) in das neue 1,53%-System überwechseln und beginnt ab Juli mit den Beitragszahlungen. Die bisher bilanzierte Abfertigungsrückstellung lässt er in der Bilanz stehen - so lange, bis sie eben durch künftige Abfertigungsauszahlungen (aus der alten Ära) verbraucht wird oder aufzulösen ist. Die solcherart eingefrorene Vorsorge muss aber gleichfalls ab 2003 bzw. 2004 prozentuell reduziert werden. Fallen Abfertigungszahlungen an, dann muss der Anspruch aus der alten Ära vom bisherigen Dienstgeber und jener Teil aus der Zeit ab 1. Juli 2002 von der MV-Kasse finanziert werden.

Rückstellung wird "verkauft"

Fall 3: Der Arbeitgeber will das Halbe-Halbe-Spiel vermeiden. Er bietet der MV-Kasse seinen totalen Umstieg an: alle Arbeitnehmer (jene aus der alten Ära und alle neuen sowieso) sollen mit ihren gesamten (alten und neuen) Ansprüchen künftig nur mehr von der Kasse abgefertigt werden. Dieser totale Wechsel ist möglich und gesetzlich vorgesehen. In diesem Fall verlangt die Kasse für die Übernahme der bisherigen Anwartschaften vom Arbeitgeber natürlich eine entsprechende "Übertragungsablöse"; einen Betrag, der die betriebliche Liquidität freilich ordentlich in Schieflage bringen kann.

Deshalb sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, diese Ablöse in 5 Jahresraten zu begleichen, zu 6% Kreditzinsen. Kommt es - im Einvernehmen mit den Mitarbeitern - zur Totalübertragung aller Anwartschaften an die MV-Kasse, dann ist die Ablösesumme zunächst mit der bisher gebildeten Rückstellung aufzurechnen; der Mehrbetrag der Zahlung kann in fünf gleichen Jahresquoten als Betriebsausgabe steuerwirksam abgesetzt werden.

Rückstellung wird Eigenkapital

Fall 4: Der Arbeitgeber bleibt beim alten Rückstellungssystem (unser Fall 1) oder er lässt seine alte Rückstellung ab sofort einfrieren (unser Fall 2). Aber er erinnert sich an Punkt 14 des freundlichen Sozialpartner-Papiers von ehemals.

Tatsächlich hat er die Möglichkeit, diese Rückstellungen aus seiner Steuerbilanz zu eliminieren: Er kann sie auf sein Eigenkapitalkonto umbuchen oder einer versteuerten Rücklage zuführen. "Steuerneutral", heißt es dazu in den amtlichen Erläuterungen zum Gesetzentwurf. Steuerneutral ist nicht steuerfrei. Denn durch die Umbuchung der Rückstellung gehen ja die diesbezüglichen Anwartschaften nicht unter. Wenn Abfertigungen dereinst vom Arbeitgeber zu bezahlen sind, sind sie nur insoweit steuerliche Betriebsausgaben, als sie in den (jetzt umgebuchten) Rückstellungen nicht enthalten sind. Man muss also die umgebuchten Anwartschaften irgendwie weiter beobachten. Eine neue Evidenzliste wird nötig. Die steuerneutrale Umbuchung muss allerdings nicht unbedingt den gesamten bisherigen Passivbetrag der Rückstellung umfassen.

Man kann sie auf einen Teilbetrag einschränken und den Restteil an die MV-Kasse "verkaufen", was sich mit der Finanzierungsmöglichkeit der "Übertragungsablöse" abstimmen lässt. Wichtig ist freilich dies: Die gut gemeinte Pseudoverbesserung des Eigenkapitals ist nur im Jahr 2003 zulässig.

Wertpapiere werden frei

Vom Schicksal der steuerlichen Abfertigungsrückstellungen zum Schicksal der bezüglichen Wertpapierdeckungen: Ab dem Jahr 2003 will der Fiskus auf die lästigen (in der Praxis stets unzureichenden) betrieblichen Pflichtdepots verzichten. Eine Sofort-Liquidation der Depots würde freilich den heimischen Kapitalmarkt ins Chaos stürzen. Deshalb soll die zulässige Reduktion der Depots stufenweise erfolgen: 2003 auf 40%, dann jährlich auf jeweils 10% weniger. Punkt 14, letzter Akt: Ab dem fünften Wirtschaftsjahr besteht keine "Verpflichtung zur Wertpapierdeckung", liest man im Gesetzentwurf.