Energieanbieter wollen Kohlendioxid an die Pharma- und Getränkebranche verkaufen. | CO2-Abscheidung und -Speicherung als Beitrag zum Klimaschutz? | Wien.Es muss etwas passieren, damit Kohlendioxid nicht länger die Luft verpestet: Darin sind sich Umweltschützer und Industriebetriebe angesichts der Klimaproblematik weitgehend einig. Als verheißungsvolle Option zur Reduzierung der Treibhausgase wird zunehmend die Abscheidung und unterirdische Lagerung von CO2 ins Spiel gebracht.
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In Österreich will der börsenotierte Versorger EVN künftig mit dem Verkauf von Kohlendioxid sogar Geld verdienen. In einer Pilotanlage beim kalorischen Kraftwerk Dürnrohr werde seit Mitte 2009 Kohlendioxid aus den Abgasen herausgewaschen, gereinigt und künftig der Industrie als Rohstoff angeboten, sagt EVN-Sprecher Stefan Zach.
Getränke zum Prickeln bringen
Dort bringt der Einsatz von Kohlendioxid beispielsweise Getränke zum Prickeln - es steckt aber auch in Handcremen, Aspirin, Feuerlöschern oder Düngemitteln.
Derzeit holen sich die Konzerne das CO2 vor allem aus Erdgas. Das könnte sich bereits in zwei Jahren ändern, glaubt man bei der EVN. "Wir sehen CO2 als Wertstoff mit Zukunft", so Zach. In Dürnrohr können zum jetzigen Zeitpunkt technisch rund 40.000 Tonnen CO2 pro Jahr für Industriezwecke erzeugt werden. Machbar seien in einer Großanlage mehrere hunderttausend Tonnen.
Der weltweite CO2-Jahresbedarf allein für die Erzeugung von Harnstoff, der etwa in der Düngemittel- und Kosmetikindustrie eingesetzt wird, und Melamin lag 2007 bei 80 Millionen Tonnen.
Angesichts des weltweiten CO2-Ausstoßes von rund 30 Milliarden Tonnen ist die stoffliche Verwertung des Treibhausgases aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. "In Kraftwerken entstehen viel größere Mengen an C02 als man sinnvoll verwenden kann", erklärt Berit Erlach vom Institut für Energietechnik der TU Berlin. Den Bedarf der Industrie könnten bereits einige wenige Anbieter abdecken. Ein Nachteil sei auch, dass der Wirkungsgrad der Kraftwerke sinke, da zusätzliche Brennstoffe verbraucht werden. Technisch sei die CO2-Abscheidung zwar machbar, inwieweit sich das Projekt jedoch wirtschaftlich rentiert, bleibe fraglich.
Das Münchner Fraunhofer Institut kommt in einer Studie zu dem Schluss, dass die CO2-Abscheidung eine "interessante Brückentechnologie ist, um die Emissionen des Treibhausgases in den nächsten 20 bis 50 Jahren deutlich zu reduzieren, bis regenerative Energiequellen wie Photovoltaik, Wind oder Biomasse ausreichend verfügbar sind". Ein Allheilmittel sehen die Forscher darin aber nicht: Kraftwerke mit CO2-Abscheidung würden ein Drittel mehr Kohle oder Erdgas verbrauchen und seien deshalb kein Fortschritt in Richtung einer nachhaltigen Energieversorgung.
Unterirdische CO2-Lager
In Europa haben derzeit viele große Energiekonzerne Pilotprojekte laufen - kommerziell betrieben wird keines. Im Gegensatz zur EVN zielen diese aber nicht auf die Verwertung der Treibhausgase für die Industrie ab, sondern auf die unterirdische Einlagerung der klimaschädlichen Stoffe. Der deutsche Stromerzeuger Vattenfall betreibt seit 2008 in Brandenburg die weltweit erste Pilotanlage, mit der Kohlendioxid bei der Braunkohleverbrennung abgetrennt und gespeichert wird. Beim Energieversorger RWE plant man für 2014 die Inbetriebnahme einer 360-Megawatt-Anlage. Das Energieversorgungsunternehmen E.ON führt einen Testbetrieb im englischen Ratcliff.
Für die CO2-Lagerung infrage kommen nach dem Stand der Technik ausgebeutete Erdgas- und Erdölfelder sowie tief liegende, Salzwasser führende Gesteinsschichten. Die Speicher liegen 1000 bis 4000 Meter tief.
Ökologisches Feigenblatt
Das nicht unumstrittene Verfahren stößt vor allem auf Kritik von Umweltschützern: Sollte CO2 aus den Speichern an die Oberfläche gelangen, würde der Klimaschutzeffekt zunichte gemacht. Es sollte besser auf dezentrale Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen gesetzt werden.
Bedenken äußert auch das Fraunhofer Institut: Rechne man alle Kosten wie Abscheidung, Transport und Lagerung zusammen, koste die Vermeidung einer Tonne CO2 etwa 40 Euro und damit doppelt so viel, wie die Betreiber von herkömmlichen Kraftwerken für Verschmutzungsrechte im Emissionshandel zahlen müssen.
Unklar sei darüber hinaus, wie Anwohner auf ein unterirdisches CO2-Lager in ihrer Nähe reagieren würden. Auch rechtliche Fragen der CO2-Abscheidung und -Speicherung bedürfen noch der Klärung.