Die wirtschaftlichen Folgen des Krieges sind schwer abschätzbar.
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Niemand weiß, wie lang der Krieg in der Ukraine noch dauern wird. Umso schwieriger ist es, die wirtschaftlichen Folgen abzuschätzen. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine beschäftigen sich Ökonomen auf der ganzen Welt intensiv damit. Das Institut für Höhere Studien (IHS) hat ein Szenario für Österreich entwickelt, bei dem Exporte nach Russland, Weißrussland und in die Ukraine für ein Jahr komplett gestoppt würden.
Der Wertschöpfungsverlust durch den Wegfall der Güter, die in Österreich produziert und direkt in die drei Länder exportiert werden, würde demnach 2,8 Milliarden Euro betragen. Inklusive Vorleistungen für Exportgüter anderer Länder wie etwa Deutschland oder Italien - würden rund 4 Milliarden Euro verloren gehen, rechnete IHS-Volkswirt Alexander Schnabl am Freitag vor. Das entspreche 1,14 Prozent der heimischen Wertschöpfung und der Arbeitsleistung von rund 44.000 Beschäftigten. 20 Prozent der Effekte entstehen durch den Krieg in der Ukraine, 80 Prozent durch die Sanktionen.
Am 25. März wollen die beiden Institute IHS und Wifo ihre traditionelle Frühjahrsprognose präsentieren. Dass diese nach unten revidiert werden müssen, liegt auf der Hand. In welchem Ausmaß steht noch nicht fest. "Es ist so schwierig wie noch nie", sagte Wifo-Chef Gabriel Felbermayr diese Woche in den "Oberösterreichischen Nachrichten". Zuletzt erwartete das IHS für heuer einen realen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 4,2 Prozent, das Wifo ging von 5,2 Prozent aus.
Energie- und Rohstoffpreise steigen weiter stark
Klar ist, dass die Energie- und Rohstoffpreise weiter steigen werden und sich die Inflation in die Höhe schrauben wird. Die Europäische Zentralbank (EZB) hob daher am Donnerstag ihre Inflationsprognose für heuer von 3,2 auf 5,1 Prozent an.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte im Jänner noch ein globales Wirtschaftswachstum von 4,4 Prozent für 2022 prognostiziert. Das wird nicht halten, wie IWF-Chefin Kristalina Georgiewa signalisierte. Der Krieg führe neben dem menschlichen Leid auch zu massiven wirtschaftlichen Verwerfungen - für die Ukraine, für Russland und auch darüber hinaus, warnte Georgiewa.
Das deutsche Ifo-Institut wird seine Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft senken, wie es am Freitag hieß. Im Dezember 2021 waren die Münchner Wirtschaftsforscher noch von 3,7 Prozent ausgegangen. Nun werden etwa 3 Prozent erwartet. Das russische BIP hingegen wird dramatisch einbrechen. Die US-Großbank JPMorgan geht von einem Rückgang um 20 Prozent im zweiten Quartal 2022 aus.
Ein großes Thema weltweit sei der wahrscheinliche Ausfall großer Teile der Getreideernte in der Ukraine, sagte IHS-Experte Klaus Weyerstraß. "Die Ukraine ist für 15 Prozent der weltweiten Getreideausfuhren und für 50 Prozent der Ausfuhren von Sonnenblumenöl verantwortlich. Das kann für manche Regionen dramatische Konsequenzen haben", so Weyerstraß. Der Weizenpreis kennt derzeit kein Halten mehr, denn die Furcht vor Lieferausfällen ist groß. Innerhalb weniger Tage schnellte der Preis von 290 Euro je Tonne auf mehr als 400 Euro nach oben.
Auch auf dem Finanzsektor herrscht große Unsicherheit. Die umfangreichen Sanktionen gegen russische Banken und der russischen Zentralbank könnten sich auch auf westeuropäische Banken auswirken, die in Russland engagiert sind und mit Kreditausfällen konfrontiert sein könnten, so Weyerstraß. Über der EU schwebe das Damoklesschwert der möglichen Unterbrechung der Öl- und Gaslieferungen aus Russland.
IHS sucht immer nocheinen neuen Chef
Beim IHS startet unterdessen die Suche nach einem Nachfolger für Ex-Chef Martin Kocher, der vor einem Jahr als Arbeitsminister in die Bundesregierung geholt wurde, von Neuem. Nach dem deutschen Ökonomen und früheren Wirtschaftsweisden Lars Feld sagte nun auch Guntram Wolff, Direktor des Bruegel-Instituts in Brüssel, ab.
Wie Wolff auf Twitter verkündete, wird er ab 1. August die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin leiten. Laut IHS-Pressesprecher Paul Glück soll das IHS-Kuratorium bei seiner Sitzung am 29. März darüber beraten, wie es weitergehe, sagte Glück.