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Abgesetzt

Von Klaus Huhold

Politik

Die Anhänger Yingluck Shinawatras sehen in den Gerichten schon lange nur ein Instrument der alten Eliten.


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Bangkok/Wien. Hunderttausende oppositionelle Demonstranten, die monatelang in Bangkok protestierten, konnten sie nicht stürzen, dafür aber eine Handvoll Richter: Thailands Premierministerin Yingluck Shinawtra wurde gestern, Mittwoch, vom Verfassungsgericht ihres Amtes enthoben. Sie wurde des Amtsmissbrauchs für schuldig befunden. Das löst weitere Unsicherheiten in einem Land aus, in dem die Lage ohnehin schon angespannt ist. Anhänger von Yingluck hatten bereits im Vorfeld angekündigt, dass sie sich eine Absetzung der 46-Jährigen nicht gefallen lassen wollen.

Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass Yingluck im Jahr 2011 den damaligen Sicherheitschef absetzte. Dadurch hätte sie den Weg für einen Verwandten freigemacht, nationaler Polizeichef zu werden. Die Premierministerin hätte damit nicht dem Land gedient, sondern zum eigenen politischen Vorteil gehandelt, sagte der Richter, der das Urteil verkündete. Yingluck stritt die Vorwürfe ab. Ihre Verteidiger wollten weitere Zeugen aufrufen, aber das lehnten die Richter ab und verkündeten dafür relativ rasch ihr einstimmiges Urteil.

Gespaltenes Land

Gemeinsam mit Yingluck wurden auch neun Minister vom Gericht aus dem Amt gefegt. Die von Yinglucks Partei Pheu Thai getragene Übergangsregierung bleibt aber im Amt. Neuer Premier ist der bisherige Handelsminister Niwattumrong Boonsongpaisan, im Juli sollen dann Neuwahlen stattfinden.

Das Urteil löste bei vor dem Gerichtsgebäude versammelten Demonstranten Begeisterung aus. Die Gegner Yinglucks bliesen in Trillerpfeifen und reckten jubelnd die Fäuste in die Höhe.

Thailand ist seit Jahren in zwei unversöhnliche Lager gespalten. Grob gesprochen, stehen auf der einen Seite die alten Eliten, die städtische Mittelschicht und der Süden des Landes. Sie protestieren seit Monaten gegen die Regierung, der sie Korruption vorwerfen. Auf der anderen Seite stehen die ländlichen Massen im Nordosten und die städtischen Tagelöhner. Sie unterstützen das derzeitige Kabinett, da sie in ihm auch die Interessen der Armen vertreten sehen.

Der Erste, dem mithilfe der ärmeren Massen der politische Aufstieg gelang, war Ex-Premier Thaksin Shinawatra, der Bruder der nun abgesetzten Yingluck. Der Milliardär wurde dank üppiger Sozialprogramme zum Helden der Unterprivilegierten, während die Eliten in ihm bis heute nur einen korrupten Emporkömmling sehen. Thaksin wurde 2006 vom Militär gestürzt, mittlerweile wegen unsauberer Geschäfte von einem Gericht verurteilt und lebt im Exil. Doch seine Gefolgsleute gewannen sämtliche Wahlen, die seither stattfanden.

Aber alle Premiers, die Thaksin nahestanden, wurden von den Gerichten gestürzt. So musste etwa 2008 Samak Sundaravej zurücktreten, weil er mit seinem Nebenjob als Fernsehkoch laut Richtern gegen die Verfassung verstieß.

Deshalb verstärkt auch das jüngste Urteil bei den Anhängern des Thskain-Lagers nur den Eindruck, dass die Gerichte ein Instrument der alten Eliten sind, um ihnen ihre politische Stimme zu nehmen. Symbolisch dafür war ein erster kleinerer Protest von Sympathisanten der abgesetzten Yingluck in Bangkok, die ihre Personalausweise in die Höhe hielten. Die Botschaft: Wir sind gleichberechtigte Bürger und wollen uns nicht immer wieder die von einer Bevölkerungsmehrheit gewählten politischen Repräsentanten nehmen lassen.

Zusammenstöße befürchtet

Allerdings hat sich das Verfassungsgericht diesmal für einen Mittelweg entschieden. Während es früher auch schon einmal mit dem Thaksin-nahen Premier das gesamte Kabinett stürzte und damit die Opposition an die Macht brachte, beließ es diesmal die Regierung im Amt. Das könnte den angekündigten Protesten der sogenannten Rothemden die Spitze nehmen.

Die Rothemden sind eine außerparlamentarische Bewegung, die bei der Landbevölkerung im Nordosten stark verwurzelt ist. Sie stehen hinter dem Thaksin-Clan und besitzen auch einen militanten Flügel. Ihr Anführer Jatuporn Prompan spielt Ängste, dass es nach der Absetzung Yinglucks nun zu einem Ausbruch der Gewalt kommt, herunter. "Es gibt keinen Grund, warum wir zu den Waffen greifen sollten", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Seine Bewegung werde nun aber friedlich demonstrieren.

Trotzdem bleibt ein gewisses Unbehagen. Denn befürchtet werden Zusammenstöße mit der vom ehemaligen Vizepremier Suthep Thaugsuban angeführten Anti-Regierungsbewegung, die ihre bereits Monate andauernden Proteste fortsetzen will. Mit dem Sturz Yinglucks hat Suthep nämlich nur ein Zwischenziel erreicht. Die Bewegung fordert, dass ein nicht gewählter Volksrat Reformen durchführt - wohl, um den Thaksin-Clan endgültig zu entmachten. Erst danach soll es wieder allgemeine Wahlen geben.

Gefährliche Polarisierung

Protestführer Suthep ist sich bewusst, dass das Thaksin-Lager wohl die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hat und Wahlen voraussichtlich wieder gewinnen würde. Im Februar gelang es seiner Bewegung schon, durch Blockaden von Wahllokalen und ähnlichen Boykottaktionen zu verhindern, dass der Urnengang ordnungsgemäß abläuft. Das gleiche Szenario könnte sich nun bei den für Juli angesetzten Neuwahlen abspielen. Doch das wäre die nächste Provokation für die Rothemden und das Thaksin-Lager.

Der politische Konflikt in Thailand hat in den vergangenen Jahren bei Auseinandersetzungen zwischen Rothemden und Militär sowie zwischen Anhängern und Gegnern von Thaksin immer wieder Todesopfer gefordert. Derzeit weiß niemand, wie das Land seine Polarisierung überwinden soll. Auf lange Sicht stehen die Zeichen weiterhin bedrohlich auf Sturm.