Das waren ja gar keine richtigen Landtagswahlen, heißt es nun nach Oberösterreich. Stimmt nicht.
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Dass die Bürger zu ungebildet, zu dumm, zu bauchlastig, zu dünkelhaft wählen könnten, also schlichtweg den Falschen ihre Stimme geben, ist eine ewige Konstante der Demokratiekritik. Linke wie Rechte machen sich diese Argumente zu eigen, wenn es wieder einmal ein unliebsames Ergebnis zurechtzurücken gilt.
Nun ist Irren tatsächlich menschlich, weshalb auch der Bürger als Wähler keineswegs unfehlbar ist. Zu welcher Politik ein Wahlergebnis führt, liegt - zumal in Österreich - aber ohnehin in den Händen der Parteien. So gesehen kommt Wahlen, abgesehen von ihrer Rolle als Machtzuweisungsmechanismus, primär Signalwirkung zu. Was die Politik damit anfängt, ist ihre eigene Angelegenheit. In Österreich interpretieren die Parteien diese Idee vielleicht ein bisschen gar extrem, aber das Prinzip ist durchaus so gewollt: Warum sollte es sonst das freie Mandat geben?
Allerdings ist unsere Demokratie nicht nur vertikal in Parteien geteilt, die divergierende Welthaltungen oder Konzepte vertreten, sondern auch horizontal in Ebenen. Die Bürger haben also nicht nur die Qual der Wahl zwischen SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grünen und Co, sondern müssen auch noch berücksichtigen, ob es sich dabei um Gemeinderat, Landtag, Nationalrat oder EU-Parlament handelt. Und dann gibt es ja auch noch Direktwahlen von Persönlichkeiten, also Bürgermeistern und Bundespräsidenten.
So wie eine Wahl zwischen Parteien nur funktioniert, wenn die Bürger eben diese Parteien auch als unterschiedliche Bewegungen wahrnehmen, gilt das auch für Wahlen auf verschiedenen Ebenen. Oder einfacher ausgedrückt: Landtagswahlen, bei denen die Bundesregierung abgewatscht wird oder die lediglich als Abstimmung für oder gegen mehr Flüchtlinge betrachtet werden, sind mindestens so sinnentleert und zweckentfremdet wie EU-Wahlen, bei denen ebenfalls verlässlich die jeweilige nationale Regierung abgestraft wird.
Was für die Wählerwichtig ist
Die EU-Parlamentarier haben erkannt, dass solches Wahlverhalten ihre ohnehin prekäre Legitimation als Volksvertretung den Garaus macht - und bemühen sich wenigstens um Gegenstrategien. Nach der Premiere von EU-weiten Spitzenkandidaten 2014 feilen die Mandatare in Brüssel und Straßburg an einer Reform des Wahlrechts bei Europawahlen: Mit einer Zweitstimme sollen die Bürger Kandidaten von transnationalen Parteilisten wählen können, die Erststimme bliebe für nationale Listen reserviert. Die Innenpolitisierung der Europapolitik soll auf diese Weise zu einer Europäisierung der Innenpolitik führen - hoffen wenigstens die Befürworter dieses Vorhabens.
Auf Landesebene fehlt ein Bewusstsein für dieses Problem. Bei Landtagswahlen, die angeblich oder tatsächlich gar keine solchen waren, weil sie von einem Thema - das kann die Flüchtlingskrise genau so sein wie ein plötzlicher Unfalltod des Landeshauptmanns - überlagert werden, ist die Sache um einiges vertrackter. Zweifellos lässt sich die überwältigende Mehrheit der Wähler bei ihrem Stimmverhalten davon leiten, was sie subjektiv als wichtig empfinden. Und sei es auch nur, dass sie aus Unzufriedenheit die Regierenden abwählen, völlig irrelevant, wem sie dabei ihre Stimme geben.
Das ist im weitesten Sinne durchaus rational, wenn auch nicht die Hohe Schule der Demokratie, wie wir sie uns vorstellen.
Was aber, wenn die Wähler eigentlich ganz zufrieden sind mit ihrer Landesregierung und deren Leistungsbilanz und trotzdem ganz anders votieren?
Davon, wie sich das anfühlt, kann nicht nur Josef Pühringer berichten, sondern auch Jens Stoltenberg. Der Sozialdemokrat und ehemalige norwegische Premier regierte sein Land zur Zufriedenheit fast aller; und auch 2011, im Angesicht der Anschläge des rechtsextremen Massenmörders Anders Breivik, gab er dem Land eine einigende Stimme.
Die Wähler entschieden sich 2013 trotzdem gegen seine Wiederwahl - einfach so, weil es Zeit für etwas Neues war, wie die Meinungsforscher die damalige Wahl etwas lapidar zusammenfassten. Stoltenberg selbst nahm es damals jedenfalls gelassen, heute ist er Generalsekretär der Nato.
Politik kann nicht nicht zuständig sein
Landeshauptleuten fehlt eine solche alternative Karriereperspektive nach der Politik. Wer dieses Amt einmal hat, gibt es nicht so leicht wieder her. Freiwillig und ohne Pensionsanspruch hat sich bis jetzt jedenfalls noch keiner zurückgezogen. Auch deshalb ist Landespolitik in weiten Teilen zu einer Landeshauptmann-Bestätigungspolitik degeneriert, in der symbolische Allgegenwärtigkeit regelmäßig über politische Substanz triumphierte. Die bloße Behauptung, das Ohr "nah am Bürger zu haben", reicht dann schon als Beleg der eigenen Wichtigkeit.
Die Regime der Landeshauptleute hatten also durchaus einen Plan: Sie wollen sich zu Bürgermeistern ihrer Bundesländer wandeln. Die sind tatsächlich allzuständig in ihren Städten und Gemeinden, auch wenn sie rein rechtlich gar nicht befugt sein sollten. Die Worte "dafür bin ich nicht zuständig" würden deshalb einem Bürgermeister allenfalls bei akuter Amtsmüdigkeit oder unter gröberer Gewaltandrohung über die Lippen kommen. Bei manchen Landeshauptleuten ist daraus ein Stehsatz geworden.
Die Länder sollten beginnen, sich selbst wieder ernst zu nehmen. Die Idee von Föderalismus ist es, politische Entscheidungen so effizient, sparsam und nah am Bürger, wie möglich, zu treffen. Als Landeshauptmann, ja als gewählter Politiker überhaupt, kann man gar nicht nicht zuständig sein. Und selbst wenn man es tatsächlich sein sollte, darf man es unter keinen Umständen laut sagen. Die Landespolitik würde dann ihre letzte und vielleicht wichtigste Funktion als Ober-Kümmerer und Klagemauer ihrer Landesbürger verlieren. Die demokratische Wahl inklusive.