Die Wiener Grünen stellen am Samstag im Zuge der Landesvollversammlung die Weichen für die Zukunft.
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Wien. "Meine Zeit bei den Grünen ist vorbei", "Ich habe mit den Grünen abgeschlossen", "Ich möchte dazu eigentlich nichts sagen" - die Enttäuschung bei ehemaligen Grün-Politikern ist groß. Viele kehren der jahrzehntelang vom Aufstieg verwöhnten Partei den Rücken zu. Die einen hat es früher getroffen - interne Querelen gab es bei den Grünen immer -, die anderen am 15. Oktober, als klar war: Auf bundespolitischer Ebene ist es vorbei. Der Hammerschlag traf auch die ohnehin schon angeschlagenen Wiener Grünen hart. "Das ist ein Schock für die ganze Partei", so ein ehemaliger Grünen-Mitarbeiter, der nicht genannt werden möchte.
Die Wiener Grünen haben sich schon vor dem Wahldebakel zerfleddert. Die Basis zeigte sich oft verärgert angesichts der Entscheidungen von Grünen-Wien-Chefin und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. "Der Heumarkt war nur die Spitze des Eisberges", heißt es aus Insiderkreisen. Vassilakou habe beim roten Koalitionspartner zu oft klein beigegeben und "die ureigensten Interessen der Grünen" verraten, heißt es - "gegen die Bewahrung von Kultur und Natur".
Keine Diskussionskultur
Damit kam der Stein ins Rollen. Anstatt inhaltlich zu diskutieren, wurde über vieles drübergefahren. Dass die Grünen ein Problem mit ihrer Diskussionskultur hätten, war oft zu hören. Der Stil sei zu hinterfragen, so ein ehemaliger Grüner. Man müsste intern darüber nachdenken, wie gewisse Botschaften beim Wähler ankommen, etwa wenn die grünen Politikerin Sigi Maurer bei ihrem Auszug aus dem Nationalrat mit Sektglas und Stinkefinger gepostet ist. "Hier bräuchte es eine offenere Haltung der Grünen", heißt es.
Zurzeit wird auch bei den Wiener Grünen heftig verhandelt. Und sowohl Vassilakou als auch den grünen Politikern ist klar, dass es eine Veränderung braucht. Wie diese aussehen soll, wird bei der Landesversammlung der Wiener Grünen am Samstag ausdiskutiert. Vassilakous Herausforderer ist der Grünen-Vorsitzende des 1. Bezirkes, Alexander Hirschenhauser. Er repräsentiert jene Grünen-Gruppe, die sich beim Heumarkt-Projekt gegen den Turm ausgesprochen hat. Vor kurzem hatte er einen Antrag zum Rücktritt von Vassilakou angekündigt, doch dieser ist nun - wie bereits berichtet - nicht mehr fix. Sollte man sich auf einen gemeinsamen Text einigen, wäre der Rückzugs-Antrag hinfällig, so Hirschenhauser zur "Wiener Zeitung".
Neuer Regierungsstil
Alle seien derzeit im Gespräch und bereit, über Führung zu diskutieren, sagte er. Dies sei ein enormer Fortschritt. "Dass wir überhaupt darüber reden können, ist gut." Und geredet wird vor allem über folgende Punkte: ein neuer Regierungsstil, die Abgrenzung zur SPÖ, eine Kommunikation zu den Bürgern hin, mehr Politik und weniger Werbeagenturen. "Es wird sich wirklich etwas verändern", ist Hirschenhauser überzeugt. Eine gemeinsame Richtung, wo alle Wiener Grünen wieder an einem Strang ziehen? "Denkbar ist es", sagt er.
Die Frage ist nur, in welche Richtung es nun für die Grünen gehen soll. Weiter im Schatten der SPÖ zu wirken, würde die Partei noch weiter in die Bedeutungslosigkeit rutschen lassen. Naheliegender wäre, sich als "neue" grüne Bewegung extrem links zu positionieren - als Gegengewicht zur bevorstehenden türkis-blauen Bundesregierung. Was dann tatsächlich eine stärkere Abgrenzung zur SPÖ notwendig machen würde. Das wiederum könnte für die Roten - vor allem hinsichtlich der nächsten Wahlen in Wien im Jahr 2020 - zum Problem werden. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass die SPÖ in drei Jahren eine Absolute einfährt, ist sehr gering. Sie wird einen Partner brauchen.
In der Zwickmühle
Eine mögliche Koalition mit der FPÖ ist aufgrund eines nach wie vor aufrechten Parteitagsbeschlusses ausgeschlossen. Abgesehen davon haben sich mit Michael Ludwig und Andreas Schieder bereits beide potenziellen Nachfolger von Michael Häupl dezidiert gegen eine solche Variante ausgesprochen. Mit den Neos wird man wohl kaum eine deutliche Mehrheit zustande bringen. Und mit der ÖVP ist es so eine Sache. Sie ist nämlich nicht mehr jene, die sie einmal war. Die Großkoalitionäre der alten Schule sind unter Sebastian Kurz zu Auslaufmodellen geworden. Die Ausrichtung der Türkisen für die SPÖ zu weit rechts, um die Sozialdemokratie in der Stadt glaubwürdig vertreten zu können.
Aber darüber scheint man sich - zumindest im Moment - bei den Roten kaum Gedanken zu machen. "Das Einzige, was uns interessiert, ist, dass das Koalitionsübereinkommen mit den Grünen bis zum Ende der Legislaturperiode eingehalten wird", meint SPÖ-Klubchef Christian Oxonitsch. An einer vorzeitigen Auflösung der Partnerschaft kann freilich derzeit keiner der beiden Koalitionspartner interessiert sein. Dafür sind die Grünen zu kaputt, die Wiener SPÖ ist zu zerstritten und Sebastian Kurz zu stark. Ob das auch die "Rebellen" bei den Wiener Grünen verstanden haben, wird sich an diesem Wochenende herausstellen.