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Abhilfe gegen das Horten von Urlaub

Von Judith Morgenstern

Wirtschaft
Judith Morgenstern ist Expertin für Arbeitsrecht in der Kanzlei MOSATI Rechtsanwälte, www.mosati.at.
© Privat

Während ein Großteil der Arbeitnehmer sehnsüchtig dem Sommerurlaub entgegensieht, weigern sich einzelne Arbeitnehmer, Urlaub zu konsumieren.


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Der Verbrauch von Urlaub ist nur dann möglich, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer zustimmen. Es muss eine Vereinbarung über die Dauer und den Zeitraum des Urlaubskonsums getroffen werden. Diese Zustimmung erfolgt in vielen Unternehmen im Rahmen von standardisierten Verfahren. Eine einseitige Anordnung von Urlaub durch den Arbeitgeber, insbesondere in jenen Fällen, in welchen Arbeitnehmer über viele Jahre ihren Urlaub "horten", ist grundsätzlich nicht möglich.

Die einzige von der Judikatur akzeptierte Konsequenz für "Urlaub-Horten" ist die Verjährung der Urlaubsansprüche. Nach dem Urlaubsgesetz verjährt der Anspruch auf Urlaub nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist. Das bedeutet, dass der Urlaub insgesamt innerhalb von drei Jahren zu verbrauchen ist. Da bei Konsumation von Urlaub die verbrauchten Urlaubstage zunächst immer auf den ältesten, nicht verjährten Urlaub angerechnet werden, lässt sich das Problem des Urlaubshortens über die Verjährungsfrist kaum lösen. Der "Urlaubshorter" nimmt immer die letzten drei Urlaubsjahre, somit 90 Werktage beziehungsweise 75 Arbeitstage mit.

Zumindest in Rahmen der Kündigungsfrist kann es jedoch nach Ansicht des OGH unter bestimmten Voraussetzungen zu einer schlüssigen Urlaubsvereinbarung mit einem Arbeitnehmer kommen. So hat das Höchstgericht in einer jüngst ergangenen Entscheidung (9 ObA 160/11m) bekräftigt, dass die Aufforderung des Arbeitgebers zum Urlaubskonsum während der Dienstfreistellung unter gewissen Umständen auch eine "Reaktionspflicht" des Arbeitnehmers auslösen kann. Das Schweigen des Arbeitnehmers kann als dessen schlüssige Zustimmung zum Urlaubsverbrauch gewertet werden.

Voraussetzung für eine schlüssige Urlaubsvereinbarung ist, dass der Arbeitnehmer im Zuge der Kündigung und Dienstfreistellung ausdrücklich aufgefordert wird, seinen offenen Urlaub zu konsumieren und der Arbeitnehmer dieser Aufforderung nicht widerspricht. Eine bestimmte Frist für den Widerspruch durch den Arbeitnehmer wird dabei nicht gefordert. Reagiert der Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht auf die Aufforderung des Arbeitgebers oder macht der Arbeitnehmer andere Ansprüche gegen den Arbeitgeber geltend (beispielsweise Überstundenentgelt), ohne zum Urlaubsverbrauch Stellung zu nehmen, kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer zustimmt. Es kommt dadurch zu einer schlüssigen Urlaubsvereinbarung, der Arbeitgeber muss keine Urlaubsersatzleistung bezahlen. Zu beachten ist, dass das Schweigen des Arbeitnehmers nicht immer als Zustimmung zum Urlaubsverbrauch gilt. Es hängt stets von den Umständen des Einzelfalles ab. Kann der Arbeitnehmer beispielsweise im Rahmen eines Gerichtsverfahrens Gründe nennen (beispielsweise die lang andauernde Pflege eines kranken Angehörigen), die ihn daran gehindert haben, zu reagieren, liegt keine schlüssige Urlaubsvereinbarung vor.

Die geforderte Reaktionspflicht des Arbeitnehmers darf nicht mit der Frage der Zumutbarkeit des Urlaubsverbrauches (nach alter Rechtslage) verwechselt werden. Der Arbeitnehmer muss nicht begründen, warum er der Aufforderung zum Urlaubsverbrauch während der Dienstfreistellung nicht zustimmt. Wenn ein Arbeitnehmer jedoch einer Urlaubsvereinbarung nicht zustimmt und sich in weiterer Folge herausstellt, dass er während der Dienstfreistellung auf Urlaub gefahren ist, kann dies einen Entlassungsgrund darstellen.

Judith Morgenstern ist

Expertin für Arbeitsrecht in der Kanzlei MOSATI Rechtsanwälte,
www.mosati.at.