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Ablehnung bei den Militärs: Rumsfeld als Sündenbock

Von Gabriele Chwallek

Politik

Washington - Noch nicht einmal zwei Wochen nach Beginn des Irak-Krieges beginnen in den USA die "blame games" - die öffentlichen Schuldzuweisungen für den schleppenden Verlauf der Militäraktion. Im Kreuzfeuer der Kritik steht vor allem Pentagon-Chef Donald Rumsfeld. Den Frontalangriff startete die "Washington Post": Sie zitierte "jetzige und ehemalige Offiziere" mit den Worten, der Verteidigungsminister sei dafür verantwortlich, dass nicht genügend Truppen vor Ort im Irak-Krieg zur Verfügung stünden.


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Rumsfeld habe sich immer wieder in die militärischen Planungen eingemischt und Forderungen von Generälen nach der Entsendung eines stärkeren Soldatenaufgebots brüsk zurückgewiesen, hieß es weiter. Ein Ex-Divisionskommandeur aus dem Golfkrieg von 1991 sprach von einem "Mikromanagement" des Ministers. Es basiere auf latentem Misstrauen gegenüber den hohen Offiziersrängen und dem "sturen Willen", eigene Prioritäten durchzusetzen.

Rumsfeld: Truppenverstärkungen waren immer geplant

So groß war der Wirbel um diese Vorwürfe, dass der Befehlshaber im Irak-Krieg, Tommy Franks, US-Generalstabschef Richard Myers und Rumsfeld gemeinsam dagegen vorgingen. In Pressekonferenzen, Fernseh- Talkshows und Interviews betonten sie auf Journalisten-Fragen immer wieder unisono, die Strategie für den Irak-Krieg sei gemeinsam entworfen worden und bewähre sich voll und ganz. Die jetzt angeforderten Truppenverstärkungen seien Teil der ursprünglichen Planung und nichts anderes.

Tatsächlich hatte es schon Monate vor Beginn des Irak-Krieges Berichte über Differenzen zwischen der zivilen und der militärischen Führung bei seiner Planung gegeben. Wie es hieß, strebte Rumsfeld einen Irak-Krieg nach dem Muster des Anti-Terror-Feldzuges in Afghanistan an. Danach sollten Luftangriffe den Gegner zunächst mürbe machen und der Rest dann von einer relativ geringen Zahl an Bodentruppen - unter 100 000 Soldaten - erledigt werden.

Spezialeinheiten oder stärkere Truppenverbände

Wie in Afghanistan habe sich der Pentagon-Chef hauptsächlich auf den Einsatz von Spezialeinheiten in Kombination mit High-Tech-Waffen stützen wollen und dann schließlich schweren Herzens den Forderungen von Franks nach einer stärkeren Streitmacht nachgegeben.

Was immer damals konkret hinter den Kulissen lief: Nach Ansicht von Experten zeugen die Attacken gegen Rumsfeld von einer derart ausgeprägten Abneigung in den militärischen Rängen gegen den Minister, dass sie sogar unerlässliche "Solidaritätsgebote" in kritischen Kriegszeiten sprengten. Hintergrund, so wird gemutmaßt, könnten Rumsfelds "skrupellose" Methoden bei der Durchsetzung von Reformen sein. Der Minister arbeitet kontinuierlich an einer "Verschlankung" der Streitkräfte zu Gunsten kleiner mobiler Einheiten. Und viele Spitzenmilitärs haben sich darüber beklagt, der Minister wolle ihren Rat nicht. Er sei rüde, selbstherrlich und derart "high-tech-besessen", dass er den Blick für den konventionellen Wert von Truppenmassierungen verliere.

Bush unglücklich über interne Scharmützel

In Kreisen des Weißen Hauses heißt es, Präsident Bush sei unglücklich über diese internen Scharmützel, die die "wirklich wichtigen Errungenschaften in diesem Befreiungsfeldzug vernebeln". Dabei hätte es noch schlimmer kommen können, wie Kommentatoren verschiedener Medien süffisant anmerkten. Danach hat eine politische Zitatensammlung aus den vergangenen Wochen ergeben, dass "Vize" Richard Cheney wiederholt einen raschen Sieg im Irak vorhersagte. Die massive Kritik an Rumsfeld, so heißt es, habe immerhin davon abgelenkt.