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SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter ist es gelungen, den ORF Sonntag abends "im Zentrum" eine "Liste der Schande" österreichischer Steuerhinterzieher diskutieren zu lassen. Die Diskutanten machten Kräuter allerdings nicht ganz die Freude, den von ihm beabsichtigten plumpen Klassenkampf ("Geldkoffer", "Diplomatenpass") vor den TV-Kameras nachzuvollziehen. Nicht einmal Rudolf Kaske, der Vorsitzende der Gewerkschaft Vida, war dafür zu haben. Die Steuerberaterin Herta Vanas meinte sogar, wenn es eine Liste der Schande für Steuerhinterzieher gäbe, warum dann nicht auch eine für Ruheständler, die sich ihre Frühpension mit falschen ärztlichen Gutachten erschwindelten. Auch wenn in der Sendung ein Sittenbild eines Österreichs der Schwarzarbeit und des Schwarzgeldes auf den Bildschirm gezaubert wurde, vernünftige Auswege aus der tristen Situation waren kaum auszunehmen.
In der Sendung wurde mehrfach behauptet, durch Beseitigung all dieser Missstände könnten 20 Milliarden Euro hereingebracht werden. Das ist ein frommer Wunsch, solange nicht auch darüber nachgedacht wird, ob nicht nur gaunerhafte Geldgier, sondern auch der europaweit extreme Steuerdruck in Österreich das Handlungsmotiv der Hinterzieher sein könnte. Eines hat Kräuter jedenfalls geschafft: 414.000 Zuseher eine Stunde lang von der Tatsache ablenken zu lassen, dass die Regierungsparteien noch immer kein Programm zur Sanierung des verschuldeten Staatshaushalts vorgelegt haben.