ÖVP-Delegationsleiter Karas will politische Rolle der Kammer stärken.
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Brüssel/Straßburg. Es ist fast nur noch ein Formalakt: Wenn am heutigen Dienstag die EU-Parlamentarier über ihren neuen Präsidenten entscheiden, dann wird aller Voraussicht nach der deutsche Sozialdemokrat Martin Schulz die meisten Stimmen erhalten. Er soll für die zweite Hälfte der Legislaturperiode das Amt von dem Konservativen Jerzy Buzek übernehmen.
Bei der Wahl stehen auch zwei Österreicher vor ihrem nächsten Karrieresprung. Der SPÖ-Europamandatar Hannes Swoboda wird Schulz wohl in der Funktion des Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten ablösen. Und der ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas gilt als Favorit für den Posten eines Vizepräsidenten des EU-Parlaments. Er wäre damit der ranghöchste Österreicher in der Brüsseler Institution.
So wie Schulz will der 54-jährige Karas künftig die Rolle der Volksvertretung stärken. Doch das ist keine geringe Herausforderung für die EU-Mandatare, weil derzeit die Schuldenkrise alles überschattet und die Abgeordneten in der Wirtschafts- und Währungspolitik, die vor allem die Mitgliedsländer in Absprachen untereinander gestalten, kaum Einfluss haben.
"Notmaßnahmen müssen befristet sein"
"Die Instrumente zur Bewältigung der Krise liegen nicht im Gemeinschaftsrecht", räumt denn auch Karas im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" ein. Gegen kurzfristige Notlösungen zur Rettung der vor dem Staatsbankrott stehenden EU-Länder sei aber auch nicht viel einzuwenden. Dennoch sollten die Staaten das EU-Parlament in die Entscheidungen miteinbeziehen. "Die Notmaßnahmen müssen zeitlich befristet sein und später in europäisches Recht überführt werden", meint Karas.
Wie etliche EU-Mandatare spricht sich der Abgeordnete gegen "nationale egoistische Ansätze" aus. Die zwischenstaatlichen Abkommen würden gegen EU-Recht verstoßen und die Krise keineswegs lösen. Vielmehr sollten die Länder zusammen mit den EU-Institutionen an der Stärkung einer Wirtschafts- und Sozialunion arbeiten und gemeinsam in Richtung einer politischen Union gehen. Einen Teil dieser Arbeit sollte der Konvent übernehmen, der sich aus Vertretern nationaler Parlamente, der Regierungen sowie EU-Institutionen zusammensetzt und einen Dialog mit der Zivilgesellschaft führt.
Die Vorbereitung dieses Konvents nennt Karas auch als eine seiner Aufgaben als voraussichtlicher Vizepräsident der europäischen Abgeordnetenkammer. Ebenso möchte er die "politisch akzentuierte Rolle" des Parlaments stärken.
Zwistigkeiten mit den Regierungen können dabei nicht ausgeschlossen werden. Karas selbst musste schon mehrmals erfahren, dass europa- und bundespolitische Interessen nicht immer eins sind. Als er etwa die von der österreichischen Regierung beschlossene neue Sicherheitsdoktrin als "oberflächlich und unvollständig" bezeichnete, trug ihm das parteiinterne Kritik ein. Auch musste es Karas hinnehmen, dass bei den Europawahlen 2009 nicht er Spitzenkandidat der Volkspartei wurde und ihn Ernst Strasser für einige Zeit vom Posten des ÖVP-Delegationsleiters verdrängte. Das Amt des Vize-Präsidenten der größten Fraktion im Parlament, der Europäischen Volkspartei, blieb Karas erhalten. Er legte es Ende des Vorjahres nieder - nach der Nominierung zum Kandidaten für das Amt des Vize-Parlamentspräsidenten.