Johannesburg - Die afrikanische Staatengemeinschaft will in Durban ein neues Kapitel in ihrer kontinentalen Zusammenarbeit aufschlagen. Afrikas Staats- und Regierungschefs wollen heute, Montag, in der südafrikanischen Hafenstadt ihren neuen Hoffnungsträger für eine bessere Zukunft zwischen Kapstadt und Kairo aus der Taufe heben. Der Spross heißt Afrikanische Union (AU) und ist der Europäischen Union nachempfunden. Die AU löst die Organisation Afrikanischer Einheit (OAU) ab, die nach 38-jähriger Existenz unter ihrer Unglaubwürdigkeit litt.
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Seit vergangenem Montag arbeiten in Durban Minister des neuen Staatengebildes schon an der Ausarbeitung der entsprechenden Gremien.
Dazu gehört ein 15 Mitglieder umfassender AU-Friedens- und Sicherheitsrat, dessen offizielle Einsetzung Afrikas Spitzenpolitiker noch billigen müssen. Zehn seiner Mitglieder sollen von den 53 Mitgliedstaaten für zwei, fünf für drei Jahre gewählt werden. Auf einem immer wieder von Kriegen und Konflikten gebeutelten Kontinent sollen sie über die Sicherheit wachen und auch das Recht auf Einmischung (oder die Empfehlung dazu) erhalten, Frieden und Stabilität notfalls wieder herstellen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord wie einst in Ruanda verhindern helfen. Der erste AU-Gipfel vom 8. bis zum 10. Juli findet unter südafrikanischer Präsidentschaft statt und ist eng mit Afrikas Aufbauprogramm (Nepad) verknüpft, das dem G-8-Gipfel in Kanada vorlag.
Das Kürzel AU soll das Negativimage eines kontinentalen Weltsozialfalls vergessen machen. Die gesteckten Ziele sind mindestens ebenso hoch wie die Skepsis vieler ausländischer Beobachter. Es geht um die Vereinigung von Afrikas gut 700 Millionen Menschen unter dem Dach eines Staatengebildes, für das der libysche AU-Ziehvater Muammar Gaddafi geistige Urheberschaft beansprucht. In Durban soll das Fundament für das panafrikanische Staatengebilde skizziert werden. Ein eigenes Parlament, ein Gerichtshof sowie eine Zentralbank sollen unter dem Dach der neuen Organisation entstehen.
Obwohl sie noch im Aufbau ist, gab es bereits erste Kritik an ihr. Gremien, die afrikanische Regierungen vor ihre Verantwortung stellen könnten, seien verwässert worden, kritisierten Menschenrechtsgruppen. "Wir drängen die Politiker, sich beim Aufbau menschenfreundlicher Institutionen zu beeilen", sagte der Ugandese Tajudeen Abdul-Raheem. Der Generalsekretär der Panafrikanischen Bewegung forderte mehr Transparenz für geplante Überprüfungsmechanismen, mit denen afrikanischen Staatslenkern künftig mit Blick auf gute Regierungsformen auf die Finger geschaut werden sollen. Derartige Mechanismen müssten auch für Zivilgruppen offen sein. "Andernfalls wird es zu einer Situation der Selbstüberwachung von Politikern, die sich gegenseitig auf die Schultern klopfen", meinte Abdul-Raheem. Die ersten Protokolle, die von den AU-Staats- und Regierungschefs gebilligt werden müssten, befassten sich alle mit Exekutivorganen. Die Überprüfungsgremien würden aber erst in der zweiten Phase folgen.