Beim Volkskongress vollzieht China den bereits eingeläuteten Führungswechsel.
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Peking. Nach zwei Monaten smogbedingter Finsternis zeigte sich am Montag endlich wieder ein blauer Himmel über Peking. Doch selbst der Sonnenschein verblasste gegen das Lächeln von Fu Ying, der frisch ernannten Sprecherin der Jahrestagung des 12. Nationalen Volkskongresses.
Die Vize-Außenministerin und ehemalige Botschafterin in Großbritannien verkündete unter anderem strahlend, dass bei der anstehenden Tagung kein Geld für teuren Blumenschmuck oder Empfänge ausgegeben werde. Die Zahl der Luxusunterkünfte sei limitiert, beim Essen gäbe es eine Kostenbremse und die chronisch überfüllten Straßen würden nur in Einzelfällen gesperrt werden - ansonsten müssten sich die Regierungskonvois an die Regeln halten, um den Verkehr nicht zu behindern. Die Polizeikontrollen an den Zufahrtstraßen in die Hauptstadt erwähnte Fu hingegen nicht. Ebenso wenig wie die wieder einmal verschärften Internet-Beschränkungen, denen unter anderem Google und GMX zum Opfer fallen. Denn trotz der proklamierten Bescheidenheit herrscht seit einer Woche wieder Hochsicherheitsalarm in China.
Der Grund: Am Dienstag beginnt mit dem Verlesen des Rechenschaftsberichts durch Noch-Premier Wen Jiabao der Nationale Volkskongress in der Großen Halle des Volkes. Das mit 2987 Abgeordneten größte Parlament der Welt wird bis zum 17. März tagen, um das bisherige Führungstandem Wen (70) und Staatschef Hu Jintao (69) in den Ruhestand zu verabschieden. Letzterem folgt - dreieinhalb Monate nach seiner Wahl zum neuen Parteichef - der 59 Jahre alte Xi Jinping, der gleichzeitig Oberbefehlshaber über die 2,3 Millionen Mann starke Volksbefreiungsarmee ist. Neuer Premierminister wird der 57-jährige Li Keqiang, und es besteht kein Zweifel, dass alle Nominierten mit mehr oder weniger überwältigender Mehrheit angenommen werden - noch nie fiel ein von der Parteispitze vorgeschlagener Name durch.
Effizientere Ministerien
Eingeläutet wurde der alle zehn Jahre stattfindende Führungswechsel in Partei, Armee und Regierung beim einwöchigen 18. Parteitag im November, nun wird eine komplett erneuerte Staats- und Regierungsmannschaft gewählt. Auf der Kandidatenliste, die das Zentralkomitee bereits abgenickt hat, stehen unter anderem auch die Namen des höchsten Richters und des Generalstaatsanwalts.
Nur hohe Bankbeamte wie Zentralbankchef Zhou Xiaochuan oder Börsenaufseher Guo Shuqing dürften - voraussichtlich - auf ihren Posten verbleiben, wodurch Kontinuität gewährleistet werden soll. Peking fürchtet durch das administrative Stühlerücken Unsicherheiten auf den internationalen Finanzmärkten. Offenbar zu Recht: Aus Angst vor einer stärkeren Regulierung des boomenden Immobiliensektors ist der chinesische Aktienmarkt am Montag so stark eingebrochen wie seit mehr als zwei Jahren nicht mehr. Dabei hatte die Regierung am Freitag nur angedeutet, sie könne die Vorgaben für Immobilienkäufe verschärfen, um die steigende Inflation in den Griff zu bekommen.
Weitere Tagungsordnungspunkte sind eine Verschlankung der großen Ministerien sowie eine Bürokratiereform, die die 27 Ministerien und dutzenden Kommissionen effizienter machen soll. Zuletzt war in den Medien darüber spekuliert worden, dass nur drei dieser Ministerien tatsächlich umstrukturiert werden dürften. Als fix gilt hingegen die Abschaffung der 350 noch bestehenden Arbeitshaftlager (Laojiao), die nie eine gesetzliche Grundlage hatten und damit im Widerspruch zur Verfassung des Landes standen.
Symbolische Akte
Über den zukünftigen Kurs der neuen Staatsführung gibt es hingegen noch kaum konkrete Hinweise. Xi Jinping beschwört in seinen Reden zwar auffallend oft die "Wiedergeburt der chinesischen Nation" und ruft zum Kampf gegen die Korruption auf, doch es sind eher symbolische Handlungen wie das Streichen von Staatsbanketten als ein eigener Stempel des neuen starken Mannes. In der Nordkorea-Krise hielt er sich zugunsten der Traditionalisten zurück, im Konflikt um die Senkaku-Diaoyu Inseln hat er eine schrittweise Eskalation der Spannungen mit Japan zugelassen.
Doch auch Vietnam und die Philippinen sind derzeit tief in regionale Territorialkonflikte mit China verstrickt und beobachten den Ausbau der Kriegsmarine und Luftwaffe mit Sorge. Volkskongress-Sprecherin Fu Yin hielt in ihrer Pressekonferenz dagegen, dass die Chinesen eine härtere Position von ihrer Regierung fordern würden, wenn China mit Provokationen konfrontiert sei. "Kommentare über eine ‚aggressive Außenpolitik‘ Chinas sind außerdem ganz normal und gehören zu den unterschiedlichen Ansichten über unser Land", ergänzte sie. Und lächelte.
Dossier: China 2012