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Abrechnung nach FPÖ-Absturz

Von Karl Ettinger

Politik

Die FPÖ mit Norbert Hofer musste eine Wahlschlappe hinnehmen. Sie peilt einen "Neustart" in der Opposition an. Nach der Spesenaffäre ist ein kräftiges internes Nachbeben garantiert.


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Die Enthüllungen über die Spesenaffäre rund um Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sind nicht spurlos geblieben. Das wirkte bei potenziellen FPÖ-Wählern abschreckend. Die FPÖ mit ihrem neuen Parteiobmann Norbert Hofer musste nach ORF-Hochrechnungen am Sonntagabend eine Wahlschlappe mit einem Schrumpfen von 26 auf 16,1 Prozent hinnehmen. Es war der zweitgrößte blaue Absturz nach der Wahl 2002 im Gefolge des Knittelfeld-Aufstandes. Damals verlor die FPÖ knapp 17 Prozentpunkte. Ein kräftiges Nachbeben ist garantiert.

In der FPÖ wurde von Hofer abwärts nach dem Debakel einhellig erklärt, das Ergebnis sei "kein Auftrag für einen Einstieg in Regierungsverhandlungen." Das heiße, sagte der FPÖ-Chef: "Wir bereiten uns auf Opposition vor." Zugleich versicherte er, die Doppelspitze mit Ex-Innenminister Herbert Kickl bleibe.

Ab der Ausstrahlung des Ibiza-Videos im Mai war Hofer ständig in der Defensive. Bei der EU-Wahl nur eine Woche später waren die Freiheitlichen zur Verblüffung vieler mit einem Verlust von 2,5 Prozentpunkten und 17,2 Prozent noch mit einem blauen Auge davongekommen.

Aber das großzügige Verrechnen von Spesen für Strache, das Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien zur Folge hat, konnte nun im Wahlkampffinale nicht mehr beiseite geschoben werden. Zwar konnte sich die FPÖ mit der Aufarbeitung noch über den Wahltag retten. Aber stattliche Spesen, die locker gewährt wurden, sind in einer Partei, die für sich all die Jahre in Anspruch genommen hat, den "kleinen Mann" zu vertreten, nicht zu erklären. Da nützte es auch nichts, dass die FPÖ inzwischen über ein Stammwählerpotenzial von um die 20 Prozent verfügt.

Nach dem Debakel am Wahlsonntag kommt jetzt intern die Abrechnung - offiziell beim FPÖ-Bundesparteivorstand an diesem Dienstag. Hofer hat nicht nur "volle Transparenz" versprochen, sondern auch seinem langjährigen Vorgänger Strache unmissverständlich gedroht: "Ich bin keiner, der sanft vorgeht, wenn es notwendig ist."

Eine Klärung umStrache steht bevor

Nach dem Wählerschwund hat die amtierende FPÖ-Spitze mit Strache einen Sündenbock, dem sie die Schuld für das ernüchternde Abschneiden in die Schuhe schieben kann. Hofer selbst hat schon vor seiner Kür zum Parteichef eine Zäsur angekündigt. Das Reinemachen, das mitten im Wahlkampf noch gescheut wurde, steht jetzt bevor, bis hin zu einem möglichen Ausschluss Straches.

Auch wenn noch nicht klar ist, welche Reaktionen das bei Strache und seinem Umfeld nach sich ziehen wird. Diese Unwägbarkeiten, vor allem im Hinblick auf die nächstjährige Wien-Wahl, bleiben den Freiheitlichen nicht erspart. Hofer hat am Wahlsonntag bereits dafür vorgebaut. Ibiza und die Spesenaffäre seien eine "Vorbelastung", er sei aber gewohnt "ein paar Steine im Rucksack mitzutragen".

Die FPÖ hat im Wahlkampf auf Hofer und Kickl als doppelten Rettungsanker gegen einen noch stärkeren Rückschlag gesetzt. Mit dem früheren Infrastrukturminister Hofer versuchte man, wie bei der Bundespräsidentenwahl 2016 bei einem bürgerlichen Wählerspektrum zu reüssieren. Für immerhin 50 Prozent war Hofer als Spitzenkandidat wichtig für die Wahlentscheidung, wie eine Befragung des Instituts von Peter Hajek für ATV zu den Wahlmotiven ergab. Das waren mehr als die 41 Prozent, die 2017 Strache nannten.

Kickl war als Garant für einen konsequent rechten Kurs im Einsatz. Die FPÖ hat auch bei dieser Wahl noch von einer strengen Linie in der Asyl- und Ausländerpolitik gelebt. Das dürfte die FPÖ vor einem noch dramatischeren Absturz bewahrt haben. Aber im Gegensatz zur Wahl 2017 war dieses Thema nicht zentral wie nach der Flüchtlingskrise 2015.

Die FPÖ sieht keinen Auftragfür eine Regierungsbeteiligung

Beim dominierenden Klimaschutz war die FPÖ mit Warnungen vor einer "Klimahysterie" in der Defensive. Wenn von Österreich weitere Maßnahmen zum Erreichen der Pariser Klimaziele gefordert werden, wirkt etwa Hofers Festhalten an Tempo 140 auf Autobahnen kontraproduktiv.

Hofer will nun die Partei neu aufstellen. Das betrifft neben dem Aufräumen mit der Ära Strache eine inhaltliche Verbreiterung und Stärkung im urbanen Bereich. Das ist alles noch sehr vage. Zudem muss sich erst zeigen, ob und wie die im Wahlkampf gezeigte Einigkeit mit Kickl bei der Neuaufstellung funktioniert. Das gilt vor allem auch für den Fall einer künftigen Oppositionsrolle. Kickl meldete an, er würde gern Klubchef bleiben. Diese Rolle würde "ganz gut zu meinem Profil passen".

Das FPÖ-Hauptziel im Wahlkampf - eine Fortsetzung der zerbrochenen türkis-blauen Bundesregierung - wäre zwar rechnerisch als Koalitionsvariante noch möglich. Aber kein FPÖ-Landesparteichef wollte einen Auftrag zur Regierungsbildung sehen. Türkis-Blau sei "erledigt", hieß es.

Die FPÖ möchte lieber, wie Generalsekretär Harald Vilimsky erklärte, einen "Neustart" in der Opposition durchführen. Aus dieser Position soll dann eine "Wählerrückholaktion" erfolgen. Zuerst aber geht es einmal um interne Aufräumarbeiten.