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Abrutschen auf den ersten Platz

Von Matthias Ziegler aus Südtirol

Europaarchiv

Landeshauptmann Durnwalder auf wackligem Stuhl. | Freiheitliche punkten mit Ausländer- und Sozialthema. | Bozen. Dass die Südtiroler Volkspartei (SVP) bei der Landtagswahl am Sonntag Stimmen verlieren wird, scheint fix - und erstmals seit 1948 droht der Verlust der absoluten Mehrheit. Laut jüngster Umfrage des Südtiroler Blattes "Dolomiten" liegt die Mehrheitspartei zwar weiterhin unangefochten auf Platz eins, die ihr prognostizierten 47 Prozent (das wären 17 von 35 Mandaten) würden allerdings einen massiven Verlust gegenüber der letzten Landtagswahl 2003 (55,6 Prozent - 21 Sitze) bedeuten. Nutznießer wären die Freiheitlichen, die von fünf auf elf Prozent (vier Sitze) springen würden, und die Süd-Tiroler Freiheit: Sie käme demnach auf sechs Prozent (zwei Sitze). Übrig blieben dann zwölf Sitze, um die ebenso viele (Klein-)Parteien rittern.


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Eine besonders schwere Wahlniederlage könnte schlimmstenfalls nicht nur SVP-Chef Elmar Pichler-Rolle den Job kosten, sondern sogar Landeshauptmann Luis Durnwalder. Auch über die nächste Landesregierung wird bereits heftig diskutiert. Denn abgesehen davon, dass laut Autonomiestatut Vertreter der italienischen Sprachgruppe in der Landesregierung vertreten sein müssen, könnte Durnwalder womöglich gar nichts Anderes übrig bleiben, als eine echte Koalition mit den italienischen Mitte-Links-Parteien oder den Freiheitlichen zu bilden.

Benachteiligungen bei Sozialwohnungen

Letztere graben der SVP nach Vorbild der Schwesterpartei FPÖ das Wasser ab, indem sie deren "Parteibuchwirtschaft, Postenschacher und Privilegienwirtschaft" anprangern. Die Kritik findet auch in der breiten Bevölkerung Zustimmung: "Bestimmte Parteimitglieder wurden ganz offensichtlich massiv bevorzugt", sagt David Colmano zur "Wiener Zeitung". Der 43-Jährige ist bei der Landesregierung in Bozen angestellt und erklärt, dass sich zudem viele Südtiroler bei der Zuweisung von Sozialwohnung gegenüber Migranten benachteiligt fühlen. Dass Durnwalder zwei verschiedene Listen für Einheimische und Ausländer vorschlug, kostete ihn Sympathiepunkte. Auch von den Überfremdungsängsten, insbesondere unter der deutschsprachigen Bevölkerung (rund 70 Prozent) profitieren die Freiheitlichen.

Weitere Themen sind Kriminalität, Familienförderung und Wirtschaftspolitik, vor allem die hohe Steuerlast sorgt für Unmut. "Die aktuelle Finanzkrise hat all diese Themen noch einmal akzentuiert", sagt Colmano. Und da biete die SVP keine befriedigenden Antworten, "deshalb strömen die Menschen den Heimatparteien zu, weil die sich offensichtlich mehr um ihre Sorgen kümmern", meint TV-Journalist Davide Bucci. Die SVP sei mittlerweile zu abgehoben, "und sie reagiert zu schwach auf die neue Konkurrenz".

Mehrheit ist mit EU und Autonomie zufrieden

Kalt lassen die Südtiroler hingegen EU-Debatten. Zwar hat der Euro die Preise in den Augen der Bevölkerung verdoppelt, "die EU-Austritt ist aber kein Thema", sagt Armin Gatterer. Der Direktor der Kulturabteilung in Bozen ist wie viele Südtiroler überzeugt, "dass die EU das Beste war, was uns passieren konnte". Schließlich seien dadurch Süd-, Nord- und Osttirol noch näher zusammengerückt. "Und mit der Südtiroler Autonomie in der jetzigen Form ist ein hoher Prozentsatz zufrieden, auch unter den Italienischsprachigen, weil ja alle davon profitieren und es uns besser geht als Rest-Italien."

Freilich haben die beiden großen Sprachgruppen unterschiedliche Vorgeschichten und Ansichten: So trauern manche deutschsprachige Südtiroler noch Österreich nach, während sich italienischsprachige eher als Teil Italiens sehen.

Von der Parteienlandschaft her geht es den deutschsprachigen Südtirolern besser als den Italienern. Letztere haben nämlich lediglich die Qual der Wahl zwischen mehreren Kleinstparteien - "das ist das Problem, dass die italienische Parteienlandschaft dermaßen zersplittert ist", meint Bucci. Oder sie werden gar nicht zur Wahl zugelassen, wie die Unione di Centro (UDC) wegen eines Formfehlers in der Provinz Trient. Dort musste die Landtagswahl auf 9. November verlegt werden, weil sich ein Neudruck der Stimmzettel ohne UDC bis 26. Oktober nicht ausgegangen wäre.

Da bisher der Trientiner Landtag zeitgleich mit dem Südtiroler gewählt wurde (sie bilden zusammen den Regionalrat), drohte auch dort - wo die UDC antreten darf - eine Verlegung. Mit dem Hinweis, dass "so oder so eine Gefahr der Wahlanfechtung besteht", setzte Durnwalder aber den ursprünglichen Wahltermin durch.