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Absatz und Ergebnis schrumpfen

Von Stefan Janny

Reflexionen
Hofer: "Die Energiewirtschaft ist ein Beispiel dafür, dass Börsennotierung und ein gewisser Anteil an öffentlichem Eigentum keinen Widerspruch darstellen." Foto: Newald

Hofer: Gasvorratshaltung sollte für alle Marktteilnehmer verpflichtend sein. | Kohle bleibt unverzichtbares Rückgrat der Energieversorgung. | "Wiener Zeitung": Was denkt sich der Chef der börsenotierten EVN, wenn er die Kursentwicklung seiner Aktie während des vergangenen Jahres betrachtet? | Burkhard Hofer: Er denkt sich, dass sehr viele Unternehmen, deren fundamentale Daten eigentlich eine durchaus positive Entwicklung nehmen, jene Probleme mitzutragen haben, die aus der Finanzkrise und übertriebenen Spekulationen resultieren.


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Wir gehen mit gutem Grund davon aus, dass die EVN-Aktie derzeit stark unterbewertet ist und großes Kurspotenzial hat. Wir haben zwar im Vergleich zum ATX und zu vielen anderen Aktien etwas weniger verloren.. .

Was typisch für Energieunternehmen ist.. .

. . . aber das kann uns keineswegs beruhigen oder zufrieden stellen. Wir hoffen, dass jetzt wirklich langsam der Boden gefunden ist. Wenn man den Wert unserer Beteiligungen betrachtet und das addiert, dann spiegelt der Kurs für unser operatives Geschäft eigentlich keinen realistischen Wert mehr wider.

Wir erleben derzeit, dass eine Vielzahl von Unternehmen staatliche Hilfen erhalten oder zumindest wünschen. Signalisiert das einen grundlegenden Paradigmenwechsel und eine Rückkehr zu mehr Staatseinfluss auf die Wirtschaft?

Ich glaube, dieser Eindruck wäre falsch. Wenn jetzt irgendwo Staatsbeteiligungen eingegangen werden, steht das in Zusammenhang mit wirtschaftlichen Problemen, mangelnder Liquidität, Finanzierungsproblemen. Die Energiewirtschaft ist übrigens ein Beispiel dafür, dass Börsennotierung und ein gewisser Anteil an öffentlichem Eigentum keinen Widerspruch darstellen. Ich halte das in besonders exponierten Branchen, die in der Daseinsvorsorge tätig sind, für mehr als sinnvoll. Die Börsennotierung bietet die Möglichkeit zur Kapitalbeschaffung und zum Effizienzvergleich mit Mitbewerbern. Ein stabiler Kernaktionär schließt andererseits aus, dass es zu unerwünschten Übernahmen kommt.

Was aber wegen des fehlenden Übernahmepotenzials einen niedrigeren Börsenkurs zur Folge hat als bei einem Unternehmen, das sich in Streubesitz befindet.

Da mögen Sie durchaus Recht haben. Man muss aber beachten, welchen Stellenwert ein Unternehmen für eine Volkswirtschaft und seine Kunden hat. Wir glauben, dass es für ein Unternehmen wie die EVN, das in der Energiewirtschaft, Wasserversorgung und -entsorgung tätig ist, ein Investor der öffentlichen Hand sehr vorteilhaft ist.

Aber ein privater Mehrheitsaktionär würde doch weder Kraftwerke noch Strom- oder Wasserleitungen abmontieren, sondern das Geschäft weiterhin betreiben?

Aber es bleibt die Frage, welche Unternehmensstrategie ein privater Eigentümer verfolgen würde. Gerade in der Energiewirtschaft ist ein langfristiger Zeithorizont wesentlich. Und ein privater Investor wäre zweifellos stärker an kurzfristigeren Chancen interessiert, weswegen man der öffentlichen Hand einen gewissen Vorzug einräumen muss. Wir haben gerade eine Gaskrise erlebt, die deutlich unter Beweis gestellt hat, dass Versorgungssicherheit und Vorratshaltung, die nicht immer nur mit betriebswirtschaftlichen Vorteilen argumentierbar ist, ganz wesentlich sind.

Es gibt in Österreich Unternehmen, die überaus vorsorglich agiert haben, dazu zählen RAG und EconGas, an denen wir beteiligt sind. Auf der anderen Seite gibt es Mitbewerber, die auf Vorratspolitik wenig Wert legen. Die haben zweifellos einen gewissen Wettbewerbsvorteil, weil sie nicht mit Bevorratungskosten belastet sind. Daher fordern wir auch, dass alle, die am österreichischen Markt als Händler oder Verteiler tätig sind, künftig einen gewissen Standard bei der Vorratshaltung einhalten.

Wie soll diese Zwangsbevorratungsverpflichtung konstruiert sein?

Es existiert ja das Erdölbevorratungsgesetz, das man durchaus als Vorbild für den Gasbereich nehmen kann. Das wäre kein Problem und sollte eine der Lehren sein, die aus der Gaskrise gezogen werden. Darüber hinaus stellt sich die grundsätzliche Frage verstärkt: Wie steht Österreich zu anderen konventionellen Energieträgern?

Sie meinen Kohle?

Genau. Kohle lässt sich leicht bevorraten, ist nicht an einen bestimmten Transportweg gebunden, wird in vielen Ländern gefördert und ist bislang ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Energieversorgung, man kann fast sagen, ein gewisses Rückgrat. Es wird sich daher die Frage stellen, wie die Politik in Hinkunft zu diesem Energieträger steht, wenn die Wasserkraft leider auch nicht das absolute Allheilmittel und Nutzung der Atomkraft in Österreich nicht möglich ist.

Auch wenn die EVN vor einiger Zeit das Atomkraftwerk Zwentendorf gekauft hat, gehe ich davon aus, dass Sie nicht beabsichtigen, es in Betrieb zu nehmen.

Die Gesetzeslage in Österreich ist eindeutig. Wir haben mit Zwentendorf einen zugelassenen Kraftwerksstandort erworben, an dem wir künftig Öko-Energie erzeugen wollen.

Was Sie allerdings nicht erwähnt haben, ist der Umstand, dass Kohle auch einen nicht unbeträchtlichen Nachteil hat: Ihre Verbrennung produziert enorme Mengen an CO2.

Es ist eine Tatsache, dass bei jedem Verbrennungsprozess CO2 anfällt. Das ist aber möglicherweise bloß ein vorübergehendes Problem, weil ja heftigst an Methoden zu einer CO2-freien Kohleverstromung geforscht und gearbeitet wird.

Das wird zwar noch 15 oder 20 Jahre dauern, aber bis dahin muss man eine Abwägung vornehmen: Versorgungssicherheit auf der einen und die CO2-Belastung auf der anderen Seite.

Sie haben den langfristigen Aspekt der Energiewirtschaft mehrfach erwähnt. Kraftwerke haben besonders lange Amortisationszeiten und brauchen daher langfristige Finanzierungen. Derzeit klagen viele Unternehmen über die mangelnde Finanzierungsbereitschaft von Banken. Machen Sie ähnliche Erfahrungen? Natürlich ist es heute schwieriger als in der Vergangenheit, entsprechende Finanzierungen sicherzustellen. Auf der anderen Seite brauchen die Banken Erträge, um ihre Mitarbeiter zu bezahlen und ihren Aktionären Dividenden zu verschaffen. Das bedeutet, es müssen Kredite vergeben werden, um im Geschäft zu bleiben. Aber die Banken achten, wie es scheint, nun stärker auf die Wirtschaftlichkeitsrechnung von Projekten und Bonität von Kreditnehmern.

Anders ausgedrückt: Eine Tochtergesellschaft der Landes Niederösterreich hat weniger Probleme, die nötigen Kredite zu bekommen als andere Unternehmen?

Die Eigentümerstruktur spielt sicher auch eine gewisse Rolle. Aber in erster Linie sind es die Projekte selbst, die eine gewisse Bonität aufweisen müssen. Hinzu kommt, dass wir nicht nur ein Errichter von Kraftwerken sind, sondern mit der Energie dann auch etwas anfangen können, nämlich sie an unsere Kunden zu liefern. Das gibt eine gewisse Absatzsicherheit.

Energieunternehmen sind von der Wirtschafts- und Finanzkrise naturgemäß weniger stark betroffen als andere Branchen. Trotzdem werden auch Sie die Krise vermutlich spüren?

Es ist richtig, dass wir von der Finanzkrise selbst nicht besonders stark betroffen sind. Das hängt damit zusammen, dass wir nicht weiß Gott wie viel Geld am Kapitalmarkt veranlagt hatten, sondern wir haben stark investiert und Schulden zurückbezahlt.

Aber auch wir werden ein geringeres Finanzergebnis haben. Die Wirtschaftskrise wird uns sehr wohl treffen. Hier sitzen wir mit unseren Kunden in einem Boot, denn Produktionskürzungen resultieren in einem geringeren Energieverbrauch. Das heißt, wir rechnen mit Absatzeinbußen.

In welchem Ausmaß?

Wir rechnen mit Umsatzrückgängen im einstelligen Millionen-Euro-Bereich, wobei für unsere vielen Haushaltskunden auch die Witterung entscheidenden Einfluss auf den Energieverbrauch hat.

Unter anderem von der E-Control wird regelmäßig der mangelnde Wettbewerb in der heimischen Energiewirtschaft kritisiert.

Man darf nicht von den tatsächlichen Wechselraten auf das Funktionieren des Wettbewerbes schließen. Da gibt es keinen Zusammenhang. Funktionierender Wettbewerb wird dadurch sichergestellt, dass die nötigen Rahmenbedingungen existieren, die einen Wechsel des Stromlieferanten ohne Hindernisse zulassen.

Wettbewerb besteht aber doch eigentlich darin, dass sich die Mitbewerber bemühen, den Konkurrenten Kunden abzujagen. Ich kann mich nicht erinnern, dass die EVN mit besonderer Energie versucht hätte, in anderen Bundesländern Kunden zu gewinnen.

Studien zeigen, dass gerade dort, wo der Wettbewerb besonders hoch ist, etwa Großbritannien, die Margen weitaus höher sind. Ich kann Ihnen versichern, in Österreich sind die reinen Vertriebsmargen überaus niedrig. Wir können uns, anders als die Telekom-Branche, nicht ständige Werbekampagnen leisten. Wir verkaufen elektrische Energie, die mit teuren Rohstoffen und in kapitalintensiven Anlagen produziert wird. Wir sind im Gegensatz zu manchen preisaggressiven Mitbewerbern ein Qualitätsanbieter.

Heißt das, der Verbund ist kein Qualitätsanbieter?

In dem Zusammenhang sicher nicht. Die Verbundgesellschaft ist ein Billiganbieter und bietet nicht jene Leistungen, die wir zusätzlich erbringen. Etwa in Bezug auf Beratung, auf Sicherheit, dass man innerhalb kürzester Zeit vor Ort ist, wenn eine Störung vorliegt. Das alles gibt es bei uns und bei anderen nicht, weil die nicht die entsprechende Organisation und Infrastruktur haben, um die Kunden direkt zu bedienen.

Für die Infrastruktur ist ja auch nicht der Verbund verantwortlich, sondern derjenige Netzbetreiber, dessen Leitungen zum Kunden laufen.

Der Netzbetreiber ist bis zur Übergabestelle beim Hausanschlusskasten verantwortlich. Aber die Leute haben schon gerne, dass sich auch irgendwer vom Lieferanten um die Anlage kümmert und zur Hand ist, wenn es am Wochenende zu Schwierigkeiten kommt. Das ist unser Vorzug.

Burkhard Hofer wurde am 30. Mai 1944 geboren, studierte Rechtswissenschaften und begann 1980 seine Tätigkeit beim niederösterreichischen Energieversorger EVN.

Ab 1992 führte er das Generalsekretariat, war neben Rechtsangelegenheiten für Beteiligungs- und Projektkoordination zuständig und Verhandlungsführer bei wichtigen Vorhaben wie der Umsetzung der österreichischen Gaslösung. 2005 wurde Hofer in den EVN-Vorstand berufen und fungiert dort seither als Sprecher.