Sicherheit wird am Kap zunehmend zum Fremdwort. | Auch hohe Mauern schützen nicht mehr vor Überfällen. | Johannesburg. (dpa) Südafrikas Gangster blasen zum Sturm auf die Bastionen der Bourgeoisie. Weder hohe Grundstücksmauern noch Elektrozäune, Stacheldraht oder bewaffnete Wächter halten sie auf. Im Visier stehen einfache Bürger, aber auch Manager, TV-Moderatoren oder Diplomaten. In Mannschaftsstärke knacken mit Gewehren ausgerüstete Banden die letzten Horte relativer Sicherheit. Sie drangen in die Botschaft des Iran ein und beraubten die Wächter des stellvertretenden Zentralbank-Chefs. Knapp vier Jahre vor der Fußball-WM am Kap zerstören sie mit militärischer Präzision die Illusion einer heilen Welt in den Wohlstandsinseln mit Überwachungskameras, Zugangssperren und Wachen.
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Auch die bisher als gut geschützt angesehenen Straßencafés und Bars, Einkaufszentren, Szene-Restaurants und Schnellimbisse werden Ziele der Verbrecher. Mindestens 280 derartige Überfälle wurden seit Jahresbeginn bekannt. "Die Räuber arbeiten in Gruppen von 16 bis 24 Mann, sind schwer bewaffnet und rauben Gäste, Angestellte und auch den Safe aus, wenn es einen gibt", erklärte die Leiterin des nationalen Restaurantverbands (RASA), Wendy Alberts, Journalisten. Und sie ist davon überzeugt, dass die bekannt gewordenen Überfälle nur die Spitze des Eisbergs sind.
Das prominenteste Opfer wurde die Kapstädter Studentin Chelsy Davy (20). Als die Freundin des britischen Prinzen Harry vor gut zwei Wochen mit Freunden in ihrer Lieblingsbar noch schnell einen Drink nehmen wollte, schlugen bewaffnete Gangster zu. Sie konnten sich Zeit lassen, die am Boden liegenden Opfer in aller Ruhe auszurauben. Denn die Polizei hat trotz gegenteiliger Beteuerungen arge Probleme, der Kriminalität Herr zu werden. Für ein Land, in dem weder Krieg noch andere bewaffneten Konflikte ausgetragen werden, ist die Bilanz mit knapp 45.000 Morden oder Mordversuchen sowie mehr als 55.000 Vergewaltigungen pro Jahr gewaltig.
Wenige Verurteilungen
Ein Großteil der Straftäter kommt aber davon: Statistisch müssen weniger als fünf Prozent der Vergewaltiger mit einer Verurteilung rechnen. Die Regierung dagegen verwies bisher auf sinkende Trends bei den schweren Verbrechen, führte die hohe Verbrechenszahl auf eine höhere Bereitschaft der Opfer zur Meldung der Taten zurück oder sprach ganz allgemein von Miesmachern, die auswandern sollten. Statistiken veröffentlicht sie nur noch sehr restriktiv - sie will die Bevölkerung nicht verunsichern. Doch die ist schon beunruhigt.
In Leserbriefen wird eine Polizei verunglimpft, die Beweise "verliert", an Tatorten Fingerabdrücke zerstört oder kaum genügend Sprit für die Einsatzfahrzeuge hat. Sie ist nicht einmal mehr in der Lage, wegen einer Häufung von Raubüberfällen Kreuzungen zu sichern - und stellt stattdessen Warntafeln auf. So mancher Tourist wäre beim Fotografieren der ungewöhnlichen Schilder beinahe selbst zum Opfer eines Überfalls geworden.
Seit das Land als Ausrichter der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 im Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit steht, fühlt sich die Regierung jedoch zur Reaktion genötigt und kündigte vor kurzem ein Krisenprogramm an. So wird künftig die Verkehrspolizei auch für den Kampf gegen das Verbrechen mobilisiert. Sie erhält nun Steckbriefe der 22.000 gesuchten mutmaßlichen Mörder oder Vergewaltiger - und darf sie in Zukunft auch festnehmen. Außerdem wird Platz in den Gefängnissen geschaffen: die kleineren Gauner fliegen raus, um Zellen für die zu erwarteten schweren Kaliber freizumachen.