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Abschied von einem Renommee, neudeutsch "Standing"

Von Werner Stanzl

Gastkommentare
Werner Stanzl ist Publizist und Dokumentarfilmer.

Die SPÖ hat ihre soziale Kompetenz verloren und hinterlässt ein Gefühl der Leere und Ohnmacht bei den treuesten Genossen.


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Nicht zu fassen: Während die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden, schafft es die SPÖ, Wahlen zu verlieren. Der Verlust ihrer sozialen Kompetenz schmerzt. Nicht nur altgediente Mitglieder fühlen sich verlassen, vermissen diesen einstigen Stellenwert. Bei den Koalitionsverhandlungen könnte jetzt die Parteiführung verlorenes Terrain gutmachen. Freilich müsste sie zunächst einmal begreifen, dass sich Sozialpolitik 2013 nicht auf das Augenmerk für Arbeitslosengelder reduziert, sondern sich mehr als alles andere um die arbeitenden Menschen kümmern und ihnen einen fairen und gerechten Lohn sichern muss.

Nach dieser Selbsterkenntnis bietet sich just das Grundsatzprogramm der ÖVP an, sie von ihren eigenen Inhalten zu überzeugen.

33 Mal kommt in dem Dokument das Wort "Gerechtigkeit" vor. Nach Brockhaus der ideale Zustand des sozialen Miteinanders. Sie impliziere die "unparteiliche und einforderbare Verteilung von Gütern und Chancen in der Gesellschaft". Für Platon übrigens ist sie eine der vier Kardinalstugenden.

Bei uns scheint dieser Platon noch nicht angekommen. Da verkommt das Streben nach Gerechtigkeit zum Parteien-Hickhack. Typisch dafür die seinerzeitige Debatte um die Besteuerung des Weihnachtsgelds. Weil sie den Unselbständigen ein steuerfreies Monatseinkommen bescherte, forderte der Chef des ÖVP-Wirtschaftsbundes, Christoph Leitl, "Gerechtigkeit" und bestand auf einen Einkommensteuer-Freibetrag von 13 Prozent für seine Klientel, die Selbständigen. Für mehr als 100.000 steuerlich Veranlagte bedeutete dies einen Nachlass von 5000 bis zu 100.000 Euro und auch mehr. Im Vergleich dazu brachte die Nichtbesteuerung des Weihnachtsgeldes den 4,6 Millionen Geringverdienern wenig bis gar nichts.

Auch das SPÖ-Leisetreten um die Vermögenssteuer festigt das Misstrauen in ihre Sozialkompetenz. Die Akteure trauen sich offenbar nicht zu, die Wähler davon überzeugen zu können, dass sie nicht auf ihr Einfamilienhaus zielen, sondern auf die Latifundien der Millionäre.

Die Steuerreform zugunsten der Einkommensschwachen wird wohl auch nicht als conditio sine qua non bei den Koalitionsverhandlungen reüssieren dürfen. Dabei würde sie den erwähnten 4,6 Millionen Einkommensschwachen tatsächlich etwas bringen.

Einer der vielen Ansatzpunkte für die SPÖ, um bei den Koalitionsverhandlungen laut polternd nachzubessern. Ebenso bei den Supergagen für Unselbständige, die ohne eigenes Kapital einzusetzen und zu riskieren dennoch reich werden konnten. Ab einem Brutto-Monatseinkommen (einer Brutto-Pension) von 20.000 Euro müssten diese nach französischem Muster mit 70 Prozent besteuert werden, basta. Längst ist unvermittelbar, weshalb Günstlinge und Bosse derart scheffeln dürfen. Weil sie sonst auswandern würden? Bei den Günstlingen wäre dies ein Glück, bei den anderen bliebe die Zahl wohl überschaubar. Oder glaubt jemand, dass etwa der Wolkersdorfer Christian Konrad im entwickelten Ausland eine ähnliche Karriere hingelegt hätte? Und mehr noch als das Geld lockt ohnedies die Macht.