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Abschotten kann teuer zu stehen kommen

Von David Ignatius

Gastkommentare
Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Gute Wirtschaftspolitik ist schwerer zu verkaufen als schlechte - wie der US-Wahlkampf und die Lage Argentiniens zeigen.


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Es war sehr aufschlussreich, die TV-Debatte zur US-Präsidentschaftswahl von einem Land aus zu verfolgen, das durch populistische Wirtschaftsvorstellungen schwer geschädigt wurde: Argentinien zeigt, dass gute Staaten sehr schlechte politische Entscheidungen treffen können, die lange teuer zu stehen kommen. Meine Reise mit US-Finanzminister Jacob Lew nach Buenos Aires zeigte auch, wie gespannt die Welt den US-Präsidentschaftswahlkampf diesmal verfolgt.

Die Stärke der USA bleibt ein elementares Ordnungsprinzip des globalen Lebens. Wenn also Donald Trump verkündet, dass "Amerikanismus, nicht Globalismus, unser neues Credo sein wird", fragen sich die Menschen, ob das von den USA angeführte System am Zusammenbrechen ist. Wohin bewegen sich die USA? Darum ging es bei fast der Hälfte der Fragen in Lews Diskussion mit den Studenten an der Universität Torcuato di Tella.

Hillary Clinton hatte bei der TV-Debatte viele gute Momente, aber vom Ausland aus betrachtet hatte wohl ihre Zusicherung, dass sie als Präsidentin die jetzige Außenpolitik fortsetzen werde, die größte Resonanz. Wir werden sehen, ob die Öffentlichkeit in den USA Clinton als präsidiabel einstufen wird, aber ich schätze, dass nach der TV-Debatte weltweit ein Aufatmen zu hören war, dass die Politik der USA vielleicht doch nicht kaputtgeht.

Argentinien ist eine Fallstudie, wie populistische Politik ein Land zerstören kann und wie lang es dauert, bis die Wirtschaft wieder aufgebaut ist. Schlechte (wenn auch populäre) Wirtschaftspolitik hatte Argentinien in die Hyperinflation geführt und dann, 2001, in eine Überschuldung. Vierzehn Jahre hat es gedauert, davon wegzukommen.

Vorigen November hat Argentinien, nach mehr als einem halben Jahrhundert Linkspolitik, den Mitte-rechts-Politiker Mauricio Macri gewählt. Er versprach, die öffentlichen Mittel zu kürzen, ein Abkommen mit den Gläubigern auszuhandeln und das isolierte Argentinien in die Weltwirtschaft zurückzubringen. Lew arbeitet seit Jänner eng mit Macri zusammen, um Argentinien wieder an das globale Finanzsystem anzuschließen.

Macri hat es nicht leicht. Der Zorn auf die Führungsschicht, geschürt von starken Linksparteien und Gewerkschaften, bleibt heftig. Demonstranten blockierten am Montag die Straße zum Finanzministerium, wo Lew mit seinem argentinischen Amtskollegen zusammenkam. Die größte Gewerkschaft hat zu einem Generalstreik im Oktober aufgerufen, um gegen Macris Kürzungen der öffentlichen Mittel und gegen andere schmerzhafte Reformen zu protestieren.

Gute Wirtschaftspolitik ist schwerer zu verkaufen als schlechte, wie der US-Wahlkampf zeigt. Macris Popularität ist von 63 Prozent im Dezember auf 40 Prozent gefallen. Aber die Inflation hat sich verlangsamt. Und Macri hofft auf 3,5 Prozent Wirtschaftswachstum für nächstes Jahr.

Lew erinnerte seine argentinischen Zuhörer daran, dass es unmöglich ist, sich in der globalisierten Wirtschaft abzuschotten. Hoffentlich erkennen das auch die US-Wähler, noch vor der Wahl im November. Sonst müssen die USA Lehrgeld zahlen, wie Argentinien.

Übersetzung: Hilde Weiss