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Abschottung Tirols für Virologen entscheidend

Von Martin Tschiderer

Politik

Auch Virologe Weseslindtner für rasche Isolation. Fallzahlen könnten andernfalls in ganz Österreich "massiv" steigen.


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Mit einer Abriegelung Tirols, der zweiten seit Beginn der Corona-Pandemie, könnte es wegen der Verbreitung der südafrikanischen Mutation im Bundesland noch ernst werden. Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) erteilte dieser Idee am Donnerstag zwar mit der Begründung, das gebe "die Datenlage nicht her", eine Absage. Konsens besteht zu dieser Einschätzung aber offenkundig nicht.

Die Regierung evaluiert mit Experten die Lage. Weder die Quarantäne einzelner Regionen noch die Abschottung des gesamten Bundeslandes sind demnach ausgeschlossen. Bereits von Mitte März bis Anfang April wurden alle Tiroler Gemeinden unter Quarantäne gestellt. Laut Verfassungsgerichtshof war das in dieser Form allerdings rechtswidrig.

"Mit Herdenimmunität zu rechnen, ist müßig"

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hatte die Situation in Tirol am Donnerstag als "ernst" bezeichnet. Das Bundesland gilt als europäischer "Hotspot" für die südafrikanische Variante. Anschober kündigte den Sonntag als "Tag der Bilanz" an, an dem über das weitere Vorgehen entschieden werden solle. Diese "paar Tage" abzuwarten, sei aber notwendig, so der Minister.

Virologen sind hinsichtlich harter Maßnahmen in Tirol allerdings deutlich weniger zurückhaltend. So ließ Dorothee von Laer von der Uni Innsbruck mit der Aussage aufhorchen, das Land Tirol solle für einen Monat komplett isoliert werden. Gleichzeitig warnte die Virologin, auch Teil des Beraterstabs der Bundesregierung, vor einem "zweiten Ischgl" und übte scharfe Kritik am Corona-Management in Tirol. Das Land mauere und verschleiere trotz starken Anstiegs der Fälle.

Virologe Lukas Weseslindtner von der medizinischen Universität Wien untermauert gegenüber der "Wiener Zeitung" den Sinn einer schnellen Abriegelung Tirols, "so unpopulär diese Maßnahme auch ist". Das Problem an der Mutante aus Südafrika sei, dass eine überstandene Infektion mit dem Coronavirus wohl nicht gegen eine neuerliche Ansteckung mit dieser Variante schütze: "Die vorhandenen Antikörper neutralisieren diese Virus-Mutation viel schlechter oder gar nicht." Auch wenn die Erkrankung "nicht unbedingt gleich schwer" sein müsse wie bei der ersten Infektion, könne das Virus an andere weitergegeben werden. "Damit ist es müßig, mit einer Herdenimmunität zu rechnen", sagt Weseslindtner. Folge der Ausbreitung wäre ein "massiver Anstieg" der Fallzahlen.

Laut Labor keine exponentielle Steigerung

Alle verfügbaren Impfstoffe würden zwar wirken, um auch bei der Südafrika-Mutation schwere Verläufe zu verhindern - nicht aber die Weitergabe des Virus an andere, so der Virologe. Die bisher 75 bestätigten Fälle der Variante in Tirol hält er für problematisch, die Dunkelziffer dürfte nämlich weit höher sein. Man gehe davon aus, dass "das Doppelte, wenn nicht das Dreifache der bestätigten Fälle tatsächlich unterwegs ist", sagt Weseslindtner. Mit einer raschen Isolation Tirols bestehe die Hoffnung, den dort vorhandenen Cluster noch "austrocknen" zu können, bevor die Variante sich auf ganz Österreich ausbreite und Infektionen stark anstiegen.

Der Infektiologe und Direktor der Innsbrucker Uni-Klinik für Innere Medizin, Günter Weiss, sprach sich unterdessen gegen eine Isolation des Bundeslandes aus: Tirol sei keine Insel, es werde sich nicht verhindern lassen, dass eine Mutation auch in andere Regionen gelange. Laut Ralf Herwig, dem Geschäftsführer des Labors, das die meisten Tiroler PCR-Proben auswertet, gibt es keine exponentielle Steigerung bei den Südafrika-Fällen. Die Kurve sei sogar tendenziell rückläufig. Tirol komplett abzuriegeln, hält auch Herwig daher nicht für gerechtfertigt.