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Abschreiben kann auch legitim sein

Von Hermann Schlösser

Analysen

Ist Dan Brown ein Plagiator oder ein Künstler? | Wie viele Bestsellerautoren vor ihm wurde nun auch Dan Brown mit dem Plagiatsvorwurf konfrontiert. Wie er selbst zugibt, verdankt sein Erfolgsroman "Sakrileg" wesentliche Anregungen dem Sachbuch "Der heilige Gral und seine Erben". Michael Baigent und Richard Leigh, die Verfasser dieses Buches, prozessieren nun in London gegen die romanhafte Verwendung ihres Werkes. (Die "Wiener Zeitung" berichtete am Dienstag.)


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Allerdings ist nicht jede Übernahme aus einem fremden Text ein Plagiat. Gottfried Kellers berühmte Novelle "Romeo und Julia auf dem Dorfe" ist zum Beispiel keines, sondern eine eigenständige Weiterentwicklung des Shakespearschen Dramas. Dieser kreative Umgang mit fremden Stoffen ist - im Unterschied zur unausgewiesenen wörtlichen Übernahme - im geltenden Urheberrecht auch nicht strafbar.

Hier liegt die Chance für Dan Brown, denn er hat das wissenschaftliche Material in ein Werk der Fiktion verwandelt. Genau dieser Leistung zuliebe wird "Sakrileg" in der ganzen Welt begeistert gelesen.

Wenn die Sachbuchautoren ihr geistiges Eigentum wirksam schützen wollen, müssen sie nun versuchen, diese kreative Eigenleistung des Romanautors in Frage zu stellen. Man darf gespannt sein, ob ihnen das gelingt. Mit einem Urteil des Londoner Gerichts ist in etwa zwei Wochen zu rechnen.