Zum Hauptinhalt springen

Abschwung ist stärker als erwartet

Von Eva Stanzl

Wirtschaft

Wachstum seit März fast halbiert. | Ende der Ausnahmekonjunktur in Österreich. | Wien.Noch zu Jahresbeginn hatte sich das Wirtschaftswachstum im Euroraum getrieben vor allem durch Österreichs wichtigsten Handelspartner Deutschland als erstaunlich robust erwiesen. Gründe dafür waren unter anderem die gute Entwicklung in der Sachgüterindustrie und temporäre Faktoren wie der milde Winter.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Nun aber schlagen sich die Inflation, der gedämpfte Privatkonsum und die Auswirkungen der US-Finanzkrise auf die hiesige Wirtschaft nieder. Josef Christl, Direktor der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) rechnet mit "einer Phase unterdurchschnittlichen Wachstums" in Österreich, die zu Jahresmitte beginnen und bis ins Jahr 2009 hineinreichen wird.

"Der Rückgang ist stärker als zuletzt angenommen", erklärt Christl der "Wiener Zeitung". Im zweiten und dritten Quartal solle sich das Wachstum im Vergleich zum Jahresbeginn fast halbieren. Der globale Gegenwind habe an Stärke gewonnen und werde zu einer deutlichen Abkühlung in Österreich führen. "Allerdings sehen wir keine Rezession", betont er.

Die OeNB erwartet für das zweite und dritte Quartal einen Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) gegenüber dem Vorquartal von je 0,4 Prozent. Im ersten Quartal 2008 war die Wirtschaft im Vergleich zum Jahresende 2007 noch um 0,7 Prozent gewachsen.

Gegenüber dem Vorjahreszeitraum erwartet die OeNB für das zweite Quartal 2008 ein Wachstum von insgesamt 2,4 Prozent und für das dritte Quartal eine Abschwächung auf insgesamt 2,1 Prozent. Im ersten Quartal 2008 war Österreichs Wirtschaft hingegen im Vergleich zu 2007 noch um 2,8 Prozent gewachsen.

Höheres Risiko

Das Risiko für die weitere Konjunkturentwicklung sei vor dem Hintergrund der neu aufgeflammten US-Immobilienkrise und der Kursabstürze an den US-Börsen ungewöhnlich hoch, warnt Christl. Das österreichische Finanzsystem sei von der Finanzmarktkrise zwar kaum direkt betroffen. Die Folgen für die Weltwirtschaft ließen sich aber derzeit noch nicht endgültig abschätzen und stellen somit ein Risiko dar. Auch ein weiterer Anstieg der Rohstoffpreise und eine neuerliche Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar könnten zusätzliche dämpfende Effekte bringen.

"Wenn sich der US-Konjunkturmotor abschwächt, folgt die Abschwächung in Europa mit zwei bis drei Quartalen Verspätung", erklärt Ewald Walterskirchen vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Das sei nun so weit. In Österreich werde das Exportwachstum schrumpfen, das bisher als wichtigste Konjunkturstütze galt. "Im ersten Quartal war die Auftragslage positiv, aber in den nächsten sechs Monaten geht die erwartete Geschäftslage deutlich nach unten", sagt er.

"Bei den Auslandsaufträgen schlägt sich der hohe Eurokurs nieder", erklärt Christoph Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung (IV). Besonders dieser Bereich hätte sich schwächer entwickelt. Das IV-Konjunkturbarometer ist gegenüber dem ersten Quartal von 36 auf 22 Punkte zurückgegangen.

"Das ist die größte Einbuße seit dem dritten Quartal 2001", sagte IV-Generalsekretär Markus Beyrer am Dienstag. Auch er will "keine Rezession" sehen. Die Industrie stelle sich jedoch "auf eine bis in das Jahr 2009 hineinreichende Phase erheblicher konjunktureller Turbulenzen ein".

Rezessive Tendenzen

Das aktuelle Bild ist von der Überzeugung geprägt, dass die rezessiven Tendenzen nicht nur in den USA, sondern auch in einzelnen europäischen Ländern, etwa in Großbritannien, Italien oder Spanien, zum Ende der Ausnahmekonjunktur in Österreich geführt haben. OeNB-Direktor Christl sieht eine Erholung erst 2010: "Bis dahin sollten sich die Turbulenzen abgeschwächt haben und eine neue Investitionswelle beginnen. An den Futures-Märkten sehen wir, dass dann auch der Ölpreis abflachen sollte."

Die Entwicklungen kommen zu einem politisch sensiblen Zeitpunkt. Angesichts der anstehenden Neuwahlen könnte die konjunkturelle Verunsicherung durch wirtschaftspolitisch kontraproduktive Forderungen im Wahlkampf verstärkt werden, warnt Beyrer.